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Viktor Röthlin blickt auf seinen ersten Trainingsaufenthalt in Kenia zurück

1998 war nicht gerade mein Jahr. Bei meiner ersten EM-Teilnahme bei den Großen lief ich in Budapest als Letzter des 10’000m Finallaufs über die Ziellinie. Die restlichen EM-Tage saß ich dann als Zuschauer auf der Tribüne und erlebte unter anderem den triumphalen Sieg von Stefano Baldini beim Marathon. Marathonläufer, dass wollte ich auch einmal werden. Aber zuerst galt es meine Fähigkeiten über die 10’000m auszureizen. Mein Ziel waren die Olympischen Spiele in Sydney 2000. Nur, wenn man auf europäischer Ebenen schon nicht mithalten kann, was hat man dann auf dem globalen Parkett verloren? In Budapest galt es eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, welche mit Veränderungen zu tun hatte!
So entschied ich mich für mein Marathondebut. Im April 1999 sollte es in Hamburg soweit sein. Eine weitere Veränderung bestand darin, dass ich in der Vorbereitung neue Wege suchte. Durch den Kontakt mit Jürg Wirz (ehemaliger Chefredaktor vom „Läufer“ dem jetzigen „Fit for Life“) plante ich ins „Land der Läufer“ schlechthin zu fahren. Jürg war in dieser Zeit gerade drauf und dran seine Zelte in der Schweiz abzubauen, um ein neues Leben in Kenia anzufangen. Durch seine Arbeit als Journalist war er von Kenia absolut begeistert. Für mich stand durch seine Anwesenheit vor Ort ein großes Tor offen. Diese Chance wollte ich unbedingt nutzen.

Darum fuhr ich Ende 1998 zusammen mit Markus Gerber (ein nicht todzukriegender Langstreckenläufer, mit dem ich zu dieser Zeit in einer WG lebte) für zwei Wochen nach Afrika. Die Reise war spannend. Denn von Nairobi aus ging es per „Public Transport“ weiter nach Eldoret. Sammy, ein lokaler Taxifahrer aus Nairobi, fuhr uns frühmorgens zum richtigen Abfahrtsort für die Matatus (so werden die Personentransportwagen in Kenia genannt) nach Eldoret. Dann hieß es warten.

Obwohl wir uns in ein fast volles Matatu gesetzt hatten, wollte der Fahrer nicht losfahren. Nach einer Weile begriffen dann auch wir, dass unsere vermeintlichen Beifahrer nur lokale Freunde des Fahrers waren. Und diese wollte gar nicht mit nach Eldoret. Sollten aber den Anschein machen, dass dieses Fahrzeug bald voll ist und die Reise somit beginnen kann. Eineinhalb Stunden später ging die Reise dann los. 6-7 Stunden dauerte die Fahrt. Eine WC-Pause auf ca. halbem Weg in Nakuru war geplant. Es hieß also vorsichtig mit dem Trinken umzugehen. Der Kenianer neben mir schlief kurz nach dem verlassen der Stadt ein. Seinen Kopf legte er einfach auf meinen Nacken. Meine feine Nase wurde das erste Mal, auf die nun neu herrschenden hygienischen Bedingungen eingestellt. Kurz und gut, nach dieser Reise brauchte ich zuerst einmal drei Tage Erholung.

Das Leben in Eldoret gestaltete sich als sehr spannend. Unsere Handys hatten wir eh zu Hause gelassen, da es in Kenia noch gar kein Netzwerk gab. Von Internetcafés oder Bankomaten fehlte noch jegliche Spur. Stand man beim Metzger vor dem „Schaufenster“ entschied man sich, für diese zwei Wochen Vegetarier zu sein. Einen Mars-Riegel zu finden, kam einem Lotto-Sechser gleich. In der ganzen Stadt (damals schätzte man 180’000 Einwohner) gab es einen einzigen Supermarkt.
Kulinarischer Höhepunkt war ein Besuch bei „Mister Yu“, einem chinesischen Restaurant mitten in Eldoret. Beim Training nutzten wir die optimalen klimatischen Bedingungen und die ideale Höhenlage. Kontakt mit einheimischen Läufern hatten wir praktisch keinen. Während dieser beiden Wochen lebten wir im Bediensteten-Haus von Jürg’s Anwesen. Mit ihm schauten wir uns dann aber ein paar Lokalitäten an für zukünftige Aufenthalte im Land der Läufer.

In der Nacht auf den 31.12.1998 flogen wir wieder zurück in die Schweiz. Mein Freund und Physiotherapeut Daniel Troxler holte mich am Flughafen ab. Um Mitternacht standen wir zusammen auf dem tiefgefrorenen St. Moritzersee und stießen auf ein erfolgreiches 1999 an. Kenia sollte von nun an meine zweite Heimat werden!
Das war 1998. Wie sich das Leben in Kenia in den letzten Jahren verändert hat, dass erfährt ihr in meinem nächsten Newsletter aus dem Land der Läufer.

Viktor Röthlin

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