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Kleiner Ratgeber für Sportgetränke

Von gar nichts trinken bis so viel wie möglich trinken gab es schon alle Varianten an Empfehlungen in der Geschichte der Sportgetränke. Zeit für eine Auslegeordnung.  

Eines der ältesten Bücher über «Getränke beim Sport» erschien 1939. Ein Getränk galt damals als besonders, wenn es in seiner Zusammensetzung isotonisch gegenüber dem Blut war und so den Anforderungen des Körpers weitgehend entsprach (1). Isotonisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass im Getränk die gleiche Anzahl von Teilchen herumschwirrt wie im Blut. Diese Anzahl nennt sich Osmolalität und wird mit der Einheit mmol/kg angegeben. Das Blut weist eine Osmolalität von rund 280 mmol/kg auf, die nicht stark schwankt. Isotonisch sagt aber nichts darüber aus, um welche Teilchen es sich dabei handelt – also ob sie Mineralstoffe oder Zucker oder was anderes sind. Zwei isotonische Getränke können zwar beide isotonisch sein, aber eine andere Zusammensetzung haben. Genau diese aber ist für ein Sportgetränk von zentraler Bedeutung.

Marketing versus Stoffwechsel

Isotonische Getränke sollen im Dünndarm schneller als andere Getränke aufgenommen werden und dadurch rascher ins Blut gelangen. Entsprechend würden die Muskeln früher von den Stoffen profitieren, die in einem solchen Getränk enthalten sind – in erster Linie Wasser und Kohlenhydrate. Perfekt für Sportler, oder? Jedenfalls wurde dies lange Zeit als Argument für den Kauf eines Sportgetränks suggeriert. Die Gretchenfrage aber lautet:

Werden isotonische Sportgetränke wirklich rascher aufgenommen als andere Getränke?

Aus theoretischen Überlegungen war dies schon immer fraglich, denn es gibt diverse Studien, in denen die Aufnahmegeschwindigkeit von Getränken direkt gemessen wurde. Diese bestätigen die theoretische Skepsis. Schon 1999 kam man zum generellen Schluss, dass hypotonische Getränke zu einer höheren Wasseraufnahme im Dünndarm führen als isotonische Getränke (2). Konkret: Ein Getränk mit einer Osmolalität von 200–250 mmol/kg wird im Dünndarm am schnellsten aufgenommen. Zur Erinnerung: isotonisch wie das Blut wären rund 280 mmol/kg. Hypertonische Getränke ab rund 300 mmol/kg werden noch langsamer aufgenommen.

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Sportgetränke: Hypotonisch ist besser als isotonisch.

Stoffwechsel versus Gesetzgebung

Selbst wenn isotonisch ideal für Sportgetränke wäre, könnten wir als Konsument nicht beurteilen, ob ein als isotonisch verkauftes Getränk auch wirklich isotonisch ist. Denn in der Schweiz darf gemäss Lebensmittelgesetz ein Getränk als isotonisch bezeichnet werden, wenn es einen Wert von 250–340 mmol/kg hat. Werte von 300 mmol/kg und höher sind aber sicher hypertonisch, während 250 oder 260 hypotonisch sind. Ein «isotonisches Sportgetränk» darf also ganz legal sowohl hypotonisch, isotonisch wie auch hypertonisch sein. Nicht gerade hilfreich.

Ein kleiner Ratgeber für Sportgetränke

Gemäss heutigem Wissensstand sollte ein Sportgetränk zur möglichst raschen Flüssigkeitszufuhr also hypotonisch sein. Aber dies ist nur eines der Merkmale für ein sinnvolles Sportgetränk. Andere wichtige Faktoren sind Menge und Art der Kohlenhydrate, Trinkmenge und Verträglichkeit. Und diese wiederum sind vom geplanten Einsatz abhängig (vgl. Grafik im Bild unten).

© FitforLife
© FitforLife

Die Empfehlungen in der Abbildung dürfen wir aber nicht als absolut und endgültig betrachten, denn trotz über 50 Jahren Forschung nach dem optimalen Sportgetränk ist noch lange nicht alles bekannt und vieles individuell unterschiedlich gerade in Bezug auf die Verträglichkeit. Zu viele Faktoren beeinflussen die Aufnahme des Wassers, aber auch der Kohlenhydrate, und überdies ist die Aufnahme nicht immer gleich, sondern verändert sich entlang des Dünndarms (3). Bis alle relevanten Varianten getestet sind – Art und Menge der Kohlenhydrate, Trinkmenge, Gewöhnung des Dünndarms an hohe Mengen von Kohlenhydraten, Training bei verschiedenen Temperaturen, mit unterschiedlichen Intensitäten, intermittierend oder kontinuierlich, auf dem Rad oder zu Fuss usw. –, wird viel Zeit verstreichen. Es heisst also auch bei den Sportgetränken: am Ball bleiben und regelmässig nach neuen, fundierten Erkenntnissen Ausschau halten, im Training ausprobieren, aber sich in entscheidenden Situationen auf die bewährten Gewohnheiten verlassen.

(1) Mallwitz A, Ohly A. Ernährung und Getränke beim Sport. Leipzig: Georg Thieme; 1939.
(2) Maughan RJ, Leiper JB. Can. J. Appl. Physiol. 1999; 24:173–87.
(3) Shi X, Passe DH. Int J Sport Nutr Exerc Metab 2010; 20:427–42.

Ernährungs-Experte Dr. Paolo Colombani ist an der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen Leiter der Sporternährung und Mitbegründer des Swiss Forum Sport Nutrition.

Dieser Blog wurde durch Fit for Life zur Verfügung gestellt. Fit for Life ist das Schweizer Magazin für Fitness, Lauf- und Ausdauersport. Möchtest du regelmässig solche Artikel lesen? Dann klicke hier.
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