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Verdauung im Ausdauersport

Magenentleerung beim Sport – wie schnell wird beim Sport die Nahrung eigentlich verdaut? 
Die vielfältigen Vorgänge im Stoffwechsel des Menschen sind wie in einem riesigen Orchester aufeinander abgestimmt. Durch unser Verhalten können wir wie ein Dirigent darauf Einfluss nehmen. Auch auf die Magenentleerung. Die Nahrungsaufnahme dient der Lieferung von Nährstoffen an die Körperzellen. Damit dies geschieht, muss die Nahrung während der Verdauung im Magen und Darm zuerst aufgeschlossen werden. Die dabei freigesetzten Nährstoffe werden dann im Dünndarm in den Blutkreislauf überführt und gelangen so zu ihrer finalen Destination, den Zellen. Als Magenentleerung bezeichnet man dabei den Übergang des Mageninhalts in den Dünndarm.

Magenentleerung abhängig von der Art und Intensität der Belastung

Die vermutlich erste Untersuchung zur Magenentleerung stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist einem nicht ganz so glücklichen Zufall zu verdanken. (1) Der Armeearzt Beaumont wurde im Juni 1822 zu einem Unfall gerufen, wo er auf einen jungen Kanadier mit Bauchschuss traf. Der Kanadier überlebte, die Wunde verheilte aber nie richtig: es blieb eine fistelartige Öffnung zum Magen vorhanden. Der Arzt nutzte die Situation und mass während vieler Jahre durch die Fistel die Magenverweildauer verschiedenster Nahrungsmittel. Der Kanadier war mit der Zeit «not so amused», die gewonnenen Erkenntnisse galten aber lange als massgebend für die Beurteilung der Verdaulichkeit. Vor 20 bis 30 Jahren fanden viele Studien zur Magenentleerung während des Sports statt. Dabei wurden die wesentlichen Faktoren identifiziert, welche die Entleerungsrate beeinflussen. Von Bedeutung sind die Art und Menge der zugeführten Nahrung oder Getränke sowie die Belastungsintensität und die Art der Belastung. (2,3) Im Vergleich zur Ruhe führt eine wenig intensive körperliche Aktivität zu einer etwas rascheren Entleerung. Bei einer intensiveren Belastung ab etwa 70 Prozent VO2max wird der Mageninhalt hingegen langsamer entleert als in Ruhe. Bei der Art der Bewegung sieht die Entleerungsrate folgendermassen aus: Beim Radfahren geschieht dies langsamer als beim Rennen, beim Rennen langsamer als beim Gehen. Und bei der Belastungsdauer scheint die Entleerung mit der Zeit etwas abzunehmen; diese Bewertung ist aufgrund der geringen Forschung hierzu allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Eine grössere Trinkmenge verlangsamt die Entleerung, aber erst ab einer eher grossen Menge von über einem halben Liter, der aufs Mal getrunken wird. Weniger rasch geht es auch bei steigendem Gehalt an Kohlenhydraten oder bei höherer Osmolalität im Getränk sowie bei saureren Getränken und wenn man bereits dehydriert oder gestresst ist.

Oder zusammengefasst: In praktisch allen Trainings oder Wettkampfsituationen erfolgt die Magenentleerung geringer als in Ruhe.

Wer beim Sport keine wortwörtlich nach hinten hinausgehende Überraschung erleben möchte, sollte sich im Training an die optimale Trinkmenge herantasten. Im Labor wurden maximale Entleerungsraten von knapp mehr als einem Liter pro Stunde beobachtet. (4) Diese sollte man aber als obere Grenzen betrachten, die man am besten nicht überschreitet. Meist benötigt man weniger als einen Liter Flüssigkeit pro Stunde. Eine gute Startmenge zum Testen sind 0,4 bis 0,8 Liter pro Stunde. Viel mehr als 0,8 Liter pro Stunde können vom Darm nicht in den Blutkreislauf absorbiert werden. In den meisten Studien zur Magenentleerung während sportlicher Belastung kamen Getränke zum Einsatz. Die wenigen Studien mit fester Nahrung deuten aber darauf hin, dass feste Nahrung die Entleerung etwas verlangsamt. Wenn feste Nahrung im Sport, dann am besten in kleinen bis sehr kleinen Portionen. Insbesondere wenn es sich um sehr lange oder intensive Belastungen handelt, bei denen die Entleerung ohnehin reduziert abläuft. Immer wieder kommt zudem die Frage auf, ob man ohne feste Nahrung überhaupt ausreichend Energie und Nährstoffe aufnehmen kann. Die Antwort: Ja, kein Problem. Zumindest für alle üblichen Trainings- und Wettkampfsituationen, wo eine anständige Intensität erzielt wird. Und im Ultrabereich ist die Intensität der Belastung so gering, dass feste Nahrung verdauungstechnisch viel weniger problematisch ist. Der wichtigste Ratschlag für das Trinken oder Essen während sportlicher Belastungen lautet: Alles in kleinen Mengen – und ausprobieren! Die verträglichen Mengen schwanken individuell sehr stark und jede Empfehlung ist immer nur eine Leitplanke. Es gibt genügend Sportgetränke oder Sportnahrung auf dem Markt, so dass alle eine geeignete, individuelle Lösung finden werden.

Literatur

1. Beaumont W. Experiments and observations on the gastric juice and the physiology of digestion. Plattsburgh: F.P. Allen, 1833
2. Maughan RJ, Leiper JB. Can.J.Appl.Physiol., 1999; 24: 173–87
3. Horner KM et al. Sports Med., 2015; 45: 659–78
4. Colombani P. Grundlagen der Sporternährung: 3. Flüssigkeitsumsatz

Dieser Blogbeitrag von Paolo Colombani wurde durch Fit for Life zur Verfügung gestellt. Fit for Life ist das Schweizer Magazin für Fitness, Lauf- und Ausdauersport. Möchtest du regelmässig solche Artikel lesen? Dann klicke hier.
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