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Viktor Röthlin in Kenia

Viktor Röthlin mit seinen Trainingspartnern
Viktor Röthlin mit seinen Trainingspartnern

Viktor Röthlin bereitet sich derzeit in der Höhenlage von Kenia auf seinen letzten grossen Marathon an der heimischen Leichtathletik-EM vor. Im Interview blickt er auf seine Trainingsaufenthalte im Laufmekka zurück, analysiert die Entwicklung des Trainings und wagt einen Blick voraus:
Du bist zum 16 Mal in Kenia. In welchem Bereich hast du die grössten Veränderungen wahrgenommen?
In sehr vielen. Einerseits in der Mobilität. Musste ich mich in den ersten Jahren meiner Kenia-Aufenthalte (1998) jeweils in einen Kleinbus einpferchen lassen, um dann während 5-7h von Nairobi nach Eldoret zu kommen, setzte ich mich nun bequem in ein Flugzeug von Kenyan Airways und lande 35′ später auf dem Eldoret Airport. Von dort fahre ich dann nochmals ca. 30′ im Taxi, um mitten in der Stadt zu sein.

Der Weg ins Training ist noch immer beschwerlich
Die Mobilität hat sich stark verändert. Der Weg ins Training ist aber noch immer beschwerlich.

Dann im Bereich der Kommunikation: In den ersten Jahren konnte man sein Handy getrost zu Hause lassen, da es in Kenia eh kein Netzwerk gab. Mittlerweile habe ich meine eigene kenianische Telefonnummer, über die ich jederzeit mit zu Hause kommunizieren kann. In der Stadt gibt es Internetcafés und am Flughafen in Nairobi sowie in gewissen Restaurants in Eldoret habe ich freien Wifi-Zugang. Zudem hat der Coach meiner Trainingsgruppe bei sich zu Hause sogar einen solch leistungsstarken Internetanschluss eingerichtet, der sogar Skypen mit Videofunktion zulässt. Im Camp in Kaptagat wo ich dieses Mal wohne, haben wir zwar eine Internetverbindung. Diese ist aber ziemlich langsam, und ich bringe virtuell alle um, die mir irgendwelche grosse Email-Anhänge senden.
Auch betreffend Einkaufsmöglichkeiten hat sich sehr viel getan. Früher füllte ich meine Reisetasche mit vielen Sachen, die es hier nicht zu kaufen gab. Mittlerweile nehme ich nur noch Thomy-Senf mit, den Rest kriegt man im Supermarkt in Eldoret. 1998 gab es einen davon. 2014 zählt man locker 20 Supermärkte. Kein Wunder, ist doch Eldoret die Stadt in Kenia mit dem grössten Wachstum in den letzten Jahren.
Wie hat sich das Marathontraining in dieser Zeit geändert?
Die Grundsätze sind die gleichen geblieben. In der Methodik hat es aber viele kleine Anpassungen gegeben. Zudem laufen wir nun auch in Kenia viel mehr auf Asphalt als früher. Denn auch die Kenianer haben verstanden, dass es für die Muskulatur etwas komplett anderes ist auf harten Unterlagen schnell zu laufen. Daran muss man sich bereits im Training gewöhnen.

Es wird in der Zwischenzeit viel mehr auf Asphalt gelaufen. Die Bahntrainings finden aber immer noch auf der Sandbahn statt.
Es wird in der Zwischenzeit viel mehr auf Asphalt gelaufen. Die Bahntrainings finden aber immer noch auf natürlicher Unterlage statt.

Wie hat sich deine persönliche Marathonvorbereitung in den letzten Jahren verändert?
Im Winter 1998 kam ich zum ersten Mal nach Kenia. Im Frühling 1999 gab ich in Rotterdam in 2h13’36“ mein Marathon-Debut. Bis zu den 2h07’23“ beim Tokyo-Marathon 2008 habe ich mein Trainingsprogramm immer wieder angepasst. Viele aber nicht alle Einflüsse kamen dabei aus Kenia. Da ich ab 2001 ja auch mein eigener Trainer war, konnte ich teilweise viel flexibler meinen Trainingsalltag gestalten und somit auf neue Inputs insbesondere auch aus Kenia eingehen. Ich denke in Kenia habe ich folgende drei Key-Faktoren gelernt:

  1. Das erste Training am Tag findet immer nüchtern statt. Dadurch habe ich mein Fettverbrennungssystem enorm verbessert.
  2. Longruns sind nicht lang und langsam, sondern werden als Crescendo bis zur Marathonzielgeschwindigkeit und teilweise sogar schneller gelaufen.
  3. Ich setze mir im Kopf keine Barrieren. Alles ist möglich mit der richtigen Einstellung. Zudem kann auch mal eine ungewohnte Taktik zum Erfolg führen. So gesehen bei meinem ersten Medaillengewinn an der EM in Göteborg 2006.

Du stehst in deiner letzten Saison als Marathonläufer. Was schätzt du besonders an deinem Beruf, und worauf könntest du gerne verzichten?
Ich schätze sehr, dass ich mein eigener Chef bin. Schwieriger ist es, immer wieder berufsbedingt weg von zu Hause zu sein. Als ich noch „nur“ verheiratet war, war dies noch nicht so schlimm. Seit meine Tochter Luna auf der Welt ist, braucht es deutlich mehr Überwindung, um zu gehen und das Heimweh ist auch viel stärker.

Das Profil beweist es: Wer Europameister im Marathon werden will, muss ein kompletter Läufer sein.

Was erwartest du für ein Rennen an den Europameisterschaften in Zürich? Welche Fähigkeiten werden besonders gefragt sein?
Von mir erwarte ich, dass ich am 17.8.2014 nochmals auf den Tag X hin in Topform sein werde, um mein letztes sportliche Feuerwerk zu zünden. Was gefragt sein wird, verrate ich hier definitiv nicht, denn auch meine Gegner kennen den running.COACH.

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