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Marc Lauenstein: Vom OL-Spitzenläufer zum Top-Trailrunner

Marc Lauenstein ist ehemaliger OL-Spitzenläufer und heute erfolgreicher Trailrunner – wir wollten mehr über seine Person und seinen Weg zum Trailrunning erfahren.

Es ist 6.00 Uhr morgens. Die meisten liegen noch im Bett oder sind vielleicht gerade schlaftrunken aufgestanden. Marc Lauenstein aber steht bereits in Laufausrüstung vor der Tür und startet zu einem Morgentraining welches für viele wohl ein Tagesausflug wäre. Der 37-Jährige Romand ist praktizierender Zahnarzt und muss um 8.00 Uhr bereit sein für den Arbeitsbeginn. Vorher will er aber, wie fast jeden Morgen, die 800 Höhenmeter auf den Col de la Tourne absolvieren, um danach per Postauto runter zur Arbeit zu fahren. Ein richtiger Early Bird, könnte man meinen. Doch Marc selber sagt, er sei überhaupt kein Morgenmensch. Manchmal müsse er sich richtig überwinden, um diese Einheiten in der Früh zu absolvieren. Doch wenn er dann jeweils dabei sei bereue er es nie. Marc Lauenstein hat Freude am Training und an der Bewegung, das merkt man sofort. Besonders interessant an seinen Schilderungen: diese Freude ist heute anders als zu seinen Zeiten als aktiver Elite OL-Läufer. Genau diese OL-Karriere ist aber sicher mit ein Grund für seine heutigen Erfolge als Trailrunner.

OL-Karriere

Bild: ultra-trail.ch

Zum Laufen kam Marc Lauenstein durch den Orientierungslauf, welchen seine Familie schon früh betrieb. Im Alter von 10 Jahren begann er dann, selber an Wettkämpfen teilzunehmen. Jedoch war er zunächst eher polysportiv unterwegs und mit seriöserem OL-Training begann er erst als 16-Jähriger. Er machte schnell Fortschritte und nahm 2003 im Alter von 22 Jahren zum ersten Mal an Weltmeisterschaften teil. Der Durchbruch gelang ihm 2005 mit der WM-Silbermedaille über die Langdistanz in Japan. Diese Silbermedaille konnte er im Jahr danach an der WM in Dänemark über die gleiche Distanz bestätigen. Danach folgten aber etwas schwierigere Jahre, wo die Ränge an der WM, dem wichtigsten Anlass der Saison, nicht mehr ganz seinen hohen Erwartungen zu entsprechen vermochten. Erst 2011 und 2012 schaffte er in seinen letzten Elitejahren noch einmal den Sprung in die Top 10 an der WM.

Übergang zum Trailrunning

Bild: ultra-trail.ch

Nach Beenden seiner Karriere verzichtete Marc für drei Monate vorerst ganz aufs Training unter der Woche und machte nur noch am Wochenende Sport. Doch dabei fühlte er sich nicht gut und er merkte schnell, dass es für ihn so nicht funktioniert. Er hat das Bedürfnis, sich zu bewegen und fit zu bleiben. Dabei braucht er aber Ziele, die ihm die Motivation geben, um das Training in das ohnehin schon volle Wochenprogramm einzubauen. Schon zu seiner Zeit als OL-Spitzenläufer war Marc nebst seiner guten Ausdauer auch für seine Stärke am Berg bekannt. Also entschied er sich, auf die Karte Trailrunning zu setzen. Dass ihn Salomon dabei umfassend unterstützt, war für ihn eine weitere Motivation.

Bild: David Carlier (www.davidcarlierphotography.com)

Zu seinen bisher grössten Erfolgen im Trailrunning gehören der Sieg bei Sierre-Zinal 2013 und dem Marathon du Mont-Blanc 2015. Die Wettkämpfe sind die Ziele, die ihn antreiben. Da hat sich im Vergleich zum OL-Spitzenläufer von früher wenig verändert. Der Vergleich zwischen Marc als OL-Läufer und Marc als Trailrunner ist in vielerlei Hinsicht interessant. Zum Beispiel profitiert er heute im Trailrunning von seiner im OL erworbenen Polyvalenz, lässt er sich doch weder von starken Anstiegen, noch von steilen Abstiegen oder besonders unruhigen Unterlagen einschüchtern. Die Fähigkeit, mit verschiedensten Bedingungen zurecht zu kommen, verschafft ihm sicher einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten. Auch bilden die vielen Jahre mit umfangreichem Training im OL eine solide Basis für das Training als Trailrunner. Ausserdem hat Marc viel Wissen übers Lauftraining, welches schon zu OL-Zeiten den Grossteil aller Trainingsstunden ausmachte. Damals trainierte er zum Beispiel in einem Leichtathletikverein, um Schnelligkeit und Wettkampfhärte zu verbessern. „Von diesen Trainings zehre ich noch heute“, meint Marc. „Sie gaben mir eine gute physische Basis und lehrten mich, mich selber zu pushen“. Sicher ist dem Sportler aber auch ein grosses Talent für den Ausdauersport in die Wiege gelegt worden, so dass er heute mit deutlich weniger umfangreichem Training immer noch über weite Distanzen schnell rennen kann. „Ich glaube, da habe ich etwas Glück gehabt mit den Genen“, schmunzelt er fast schon entschuldigend.
Man spürt, dass Marc nicht zur Sorte der Überehrgeizigen gehört, die dem Sport alles unterordnen. Für ihn ist der Sport ein Ausgleich und dient der persönlichen Erfüllung. Er hat durch seinen Beruf und seine Familie (Marc ist verheiratet und zweifacher Vater) Verantwortungen, die er sehr ernst nimmt. Anders als während seiner Jahre als OL-Profi sieht er das Training und die Wettkämpfe als etwas, das er zwar seriös und mit viel Herzblut macht, das aber primär ein Hobby ist. Marc sorgt selber dafür, dass er seiner Leidenschaft in freien Zeitfenstern nachgehen kann. Seine Frau Sandra hat aber viel Verständnis für die Laufbegeisterung ihres Mannes, ist sie doch selber ehemalige OL-Eliteläuferin und hat langjährige Erfahrungen im Ausdauertraining. Sie ist als Coach der Neuenburger OL-Jugend tätig, wo sie unter der Woche auch bei Trainings als Leiterin im Einsatz steht. Bei diesen Trainings ist auch Marc oft mit von der Partie und hilft zum Beispiel dabei, Posten zu setzen. Dabei kann er trainieren und zugleich etwas mit seiner Frau unternehmen. Marc schätzt diese gemeinsamen Einsätze: „Das ist doch etwas Schönes, wenn wir unsere Begeisterung für den Sport zusammen ausleben und teilen können“.

Marc Lauenstein bestreitet auch heute noch regelmässig OL-Wettkämpfe. Wenn er seine damaligen Leistungen mit denjenigen heute vergleicht, fällt ihm auf, dass sich dabei einiges verändert hat. Er trainiert zwar nicht mehr gleich viel und der Sport hat eine deutlich tiefere Priorität als damals, doch oft sind die Leistungen gleich gut wie damals, wenn nicht besser. Marc hat folgende Erklärung dafür: „Durch das viele zielgerichtete Training war ich manchmal ausgelaugt, sowohl physisch als auch mental, so dass mir am Tag X oft die Energie fehlte, meine optimale Leistung abzurufen.“ Heute gehe er lockerer an Wettkämpfe heran und freue sich einfach auf die Herausforderung, ohne sich viele Gedanken über das Resultat zu machen. Er ist selber erstaunt, welch gute Ergebnisse dabei rauskommen. Diese Lockerheit ist es wohl auch, die für ihn heute den Spass am Sport ausmacht. Der Trainingsumfang ist reduziert, der Druck ist geringer und die Energie für den Wettkampf ist höher; wenig erstaunlich, dass da die Motivation gross ist.

Die Balance zwischen Spass und Verpflichtung

Bild: rtn.ch

Bezeichnend für diese Erkenntnisse ist die Tatsache, dass Marc Lauenstein seine Silbermedaille an der WM 2006 zwischen den schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfungen seines Zahnmedizinstudiums gewann. Er hatte schon immer auch grossen Wert auf sein Studium gelegt und dieses mit viel Interesse und Gewissenhaftigkeit absolviert. So richtete er auch im Jahr 2006 den Fokus aufs Studium und lieferte die besten Resultate im Sport ab. Als er danach ein Leben als OL-Profi anfing, bekundete er plötzlich Mühe, seine Leistungen abzurufen. Es scheint, als ob das Profi-Dasein für Marc schlicht nicht passte. So hilft ihm vielleicht auch heute der Fokus auf Beruf und Familie dabei, im Sport sein volles Potenzial auszuschöpfen.

Training und Wettkämpfe

Wie erwähnt, rennt Marc an den meisten Werktagen vor der Arbeit auf den Col de la Tourne. Obwohl er dabei immer die gleiche Strecke rennt, wird ihm nicht langweilig. „Ich kann so zum Beispiel wunderbar die verschiedenen Jahreszeiten erleben und fast in Echtzeit mitverfolgen, wie sich die Landschaft verändert“, erklärt er. Insgesamt dauert dieses Training im Schnitt 1h 10min, wobei ca. 20min im Flachen, und die restlichen 50min bergauf gerannt werden. Dabei spielt er mit dem Tempo und rennt zum Beispiel auch mal 30min am Stück schnell oder baut ein Intervall-Training ein (z.B. 10x 3min). Generell trainiert Marc heute prozentual mehr im intensiven Bereich als früher, da ihm dies bei eher geringer Quantität im die nötige Qualität bringt. An Dienstagabenden trainiert er ausserdem Intervalle mit der Neuenburger OL-Jugend. Marc wählt heute bewusst aus, was ihm Freude bereitet und lässt weg, was ihm zuwider ist. So zum Beispiel das Krafttraining. Hatte dieses in seinem Training als OL-Läufer noch hohe Priorität, so lässt er es heute ganz weg. Langsam merkt er aber, wie ihm zum Teil die Stabilität fehlt und dass besonders die Wiederaufnahme eines regelmässigen Rumpfkraft-Trainings sinnvoll wäre. Aufgrund der frühen Startzeit zu seinen morgendlichen Trainingseinheiten absolviert er diese meist allein. Er schätzt es aber sehr, wenn er dabei ausnahmsweise Gesellschaft von seinem Bruder oder Baptiste Rollier, einem weiteren ehemaligen OL-Spitzenläufer, bekommt.
Vor wenigen Tagen hat der 37-Jährige am Trail de Mont Ventoux bereits seinen ersten Saisonsieg an einem Trailrunning-Event feiern können. Dieser Lauf markiert jeweils den Start in die Trailrunning-Saison und er zeigt ihm, wie es um seine Form steht und was noch zu tun ist bis zu den nächsten Wettkämpfen. Der Auftakt ist Marc also geglückt und er scheint bisher alles richtig gemacht zu haben. Das grosse Ziel der Saison sind für ihn dann die Läufe der Golden Trail Series. Diese Serie besteht aus 5 Teilwettkämpfen, dem Zegama-Aizkorri Marathon (ESP), dem Mont-Blanc Marathon (FRA), dem Lauf Sierre-Zinal (SUI), dem Pikes Peak Marathon (USA) und dem Ring of Steall Skyrace (SCO). Die besten 10 Läufer in der Gesamtwertung nach allen 5 Rennen werden danach an den Finallauf Otter Trail in Süd Afrika eingeladen. Marc gehört dabei zum engeren Favoritenkreis.

Wir wünschen Marc alle Gute für die Golden Trail Series und weiterhin viel Freude am Laufen!

Dieser Blogbeitrag wurde verfasst von: Marion Aebi

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