Obwohl Laufen & Co alles andere als Risikosportarten sind und Sturzverletzungen eher selten auftreten, kommen auch Ausdauersportler in ihrem Sportlerleben kaum ohne Verletzungen über die Runden. Ein Überblick.
Jährlich ereignen sich 400‘000 Sportunfälle in der Schweiz. Ereignisse im Ausdauersport machen davon aber nur einen kleinen Anteil aus. Und auch wenn man die Anzahl Verletzungen pro Million ausgeübte Sportstunden unter die Lupe nimmt, verzeichnet beispielsweise Laufen/Joggen mit 89 Fällen nur sehr wenige Unfälle im Vergleich zum Fussballspielen, wo auf eine Million Sportstunden 1798 Verletzungen auftreten.
Viel häufiger als ein Unfall sind bei Ausdauersportarten überlastungsbedingte Verletzungen. Rechnet man die unfall- und überlastungsbedingten Verletzungen zusammen, so ereignen sich 3-6 Verletzungen pro 1000 Stunden Laufsport. Meistens ist dabei die untere Extremität betroffen. Akut sind dies häufig Sprunggelenksdistorsionen infolge eines „Misstritts“ oder auch Schürfwunden und Blasen an den Füssen. Überlastungsbedingt treten eher Achilles- und Fusssehnenbeschwerden oder Knieschmerzen auf. Beim Radfahren gibt es weniger überlastungsbedingte Verletzungen, dafür Unfallverletzungen durch Stürze (meist Schulter, Rumpf oder Hüfte). Auch beim Schwimmen oder Rudern kommt es häufiger zu Problemen der oberen Extremität, Beispiele dafür sind eine Schleimbeutelentzündung der Schulter oder ein Ermüdungsbruch der Rippen.
Wie Überlastungen verhindern?
Überlastungsbedingte Verletzungen entstehen zum grössten Teil durch ein Missverhältnis zwischen der Belastung durch den Sport und der Belastbarkeit von Sehnen, Bändern und der Muskulatur. Oft geht eine Überlastung mit einer zu raschen Steigerung des Trainingsumfangs einher. Denn im Ausdauersport muss nicht nur die Belastbarkeit des Herzens trainiert werden, sondern auch diejenige von Sehnen, Bändern und der Muskulatur. Meist braucht es Wochen oder Monate, bis sich das Gewebe an eine erhöhte Belastung angepasst hat. Und für Belastungen, wie sie im Leistungssport vorkommen, braucht es gar viele Jahre, bis sich der Körper an die hohen Trainingsumfänge und Anforderungen an das stützende Gewebe adaptiert hat. In der Trainingsplanung ist daher Rücksicht auf Regeneration, allgemeine Erkrankungen oder Achsenabweichungen des Skeletts zu nehmen. Und auch die Ausrüstung (Schuhe) muss regelmässig an die Anforderungen angepasst oder erneuert werden.
Auf Körpersignale achten
Sehr häufig wird bei einer Überbelastungsverletzung dem Schmerz zu Beginn zu wenig Beachtung geschenkt und das Training ohne Anpassung einfach weitergeführt. Dadurch verpasst man die Chance, das Problem innerhalb von 2-3 Tagen lösen zu können. Stattdessen wird die betroffene Stelle weiterhin gereizt, was zu einer längerdauernden und allenfalls gar chronischen Verletzung führt. Typisches Beispiel dafür sind Sehnenansatz- oder Sehnenscheidenentzündungen, sowie auch Knochenhautreizungen.
Bleiben die Schmerzen über mehrere Tage bestehen, so helfen je nach Situation unterschiedliche Massnahmen. Erste Regel: Die schmerzhafte Bewegung und Belastung sollte weggelassen werden, was oft nur durch Ausüben einer alternativen Sportart möglich ist. Daneben können entzündungshemmende Massnahmen wie Kühlung, Elektrotherapie und Antiphlogistika lokal oder systemisch die Heilung beschleunigen. Physiotherapie kann den Heilungsprozess ebenfalls unterstützen. Auch Stosswellentherapie oder eine lokale Injektion können Behandlungsalternativen sein. Stützverbände, Tape, Kompressionsbandagen und langfristig auch Einlagen können helfen, die Bewegung wieder besser ausführen zu können. Und falls alles nichts nützt, kann bei chronischen und schwerwiegenden Verletzungen oder Fehlstellungen auch eine Operation angezeigt sein.
Nach einer längeren Verletzungspause erweist sich der Wiedereinstieg in den normalen Trainingsalltag oft als schwierig. Da die Muskulatur und das angrenzende Gewebe durch die verletzungsbedingte Pause insgesamt geschwächt wurden, ist die Gefahr einer erneuten Überlastungsverletzung gross. Deshalb sind ein guter Kraftaufbau und eine langsame Steigerung der Trainingsbelastung sinnvoll. Dies erfordert vom Sportler viel Geduld und eine gute Planung, daher ist auch eine kompetente Begleitung und Betreuung durch Trainer, Physiotherapie oder Ärzte sinnvoll.
Dr. med. Sibylle Matter ist leitende Ärztin der Medbase Bern Bahnhof. Als Triathletin startete sie 2000 bei den Olympischen Spielen in Sydney über die olympische Distanz und gewann 2008 und 2009 den Ironman Switzerland in Zürich.