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Stretching: Die Antworten auf die fünf wichtigsten Fragen

Die einen tun es vorher, andere nach dem Sport – und dritte gar nicht: Die Rede ist vom Dehnen bzw. Stretching. Sollen Sportler dehnen oder nicht? Und wenn ja: vor oder nach dem Sport – und wie? Ein Überblick anhand von der fünf häufigsten Fragen, was sich in der Praxis am besten bewährt.

Bei jeder Stretching-Diskussion ist vor allem ein Punkt heftig umstritten: Schützt regelmässiges Dehnen vor Verletzungen? In der wissenschaftlichen Diskussion herrscht diesbezüglich keine Klarheit. Obwohl es vereinzelte Studien gibt, denen zufolge ein Dehnen vor dem Sport die Verletzungsrate für Sehnen-, Bänder- und Muskelverletzungen senken kann, konnte in den meisten Studien keine präventive Wirkung vor Verletzungen durch Dehnen nachgewiesen werden. Da die wissenschaftliche Beweislage unklar ist, scheint im praktischen Alltag des Sportlers ein pragmatisches Vorgehen der beste Weg zu sein. Die wichtigsten Fragen für Läufer und ihre Antworten:

Wie dehnen vor dem Sport?

Ein statisches Dehnen (also mehrere Sekunden lang in der Dehnposition verharren) vor einer Belastung macht nur bei Sportarten Sinn, bei denen eine grosse Beweglichkeit verlangt wird, wie dies beim Ballett, Kunstturnen oder Eiskunstlaufen der Fall ist. Bei allen schnellkraftdominierten Sportarten wie Fussball, Tennis, Volleyball, Sprint usw. ist ein statisches Dehnen vor dem Sport hingegen kontraproduktiv, da es die Leistungsfähigkeit vermindert. Bei diesen Sportarten zeigt ein Aufwärmen mit integrierten dynamischen Dehnübungen (mit Schwung in die Dehnposition und zurück in die Ausgangstellung) eine deutlich grössere präventive Wirkung in Bezug auf Verletzungen. Vor gleichmässigen Bewegungen wie dem Joggen, Radfahren und den meisten anderen Ausdauersportarten genügt in der Regel ein langsames Starttempo von einigen Minuten – im Sinne eines Aufwärmens – als Verletzungsprophylaxe. Vor dem Schwimmtraining oder dem Inline-Skaten lohnt es sich, zusätzlich zum oben beschriebenen Aufwärmen die Brustmuskulatur bzw. die innenseitige Beinmuskulatur mit dynamischen Dehnübungen vorzubereiten.

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Zum Aufwärmen empfehlen sich dynamische Übungen

Hilft Dehnen gegen Muskelkater?

Lange Zeit wurde proklamiert, dass Dehnen gegen Muskelkater hilft. Der heutige Stand des Wissens ist, dass Dehnen die Dauer eines Muskelkaters nicht beeinflussen kann. Muskelkater kann dadurch weder verringert noch verhindert werden. Ein sanftes Dehnen kann jedoch das Gefühl der Muskelsteifigkeit vermindern und wird im gedehnten Bereich oft als angenehm empfunden. Dieses positive Gefühl hält jedoch nur kurzzeitig an.

Verbessert Dehnen die Beweglichkeit?

Die individuelle Beweglichkeit ist stark durch die Genetik geprägt und wird durch die Art, wie wir unseren Körper gebrauchen, beeinflusst. Mit regelmässigem Dehnen lässt sich die individuelle Flexibilität verbessern. Nach statischem Dehnen ist die Beweglichkeit im gedehnten Bereich vergrössert, dies jedoch nur für kurze Zeit. Um nachhaltig eine Verbesserung zu erreichen, ist die Häufigkeit des Dehnens der wichtigste Faktor. Nur wenn das Bindegewebe und die Muskulatur sehr häufig (mehrmals pro Woche) oder sogar täglich gedehnt werden, wird die Flexibilität besser. 1-2 Mal wöchentliches Dehnen vermindert das Gefühl der Muskelsteifigkeit, verbessert aber die Beweglichkeit nicht nachhaltig.
Ein regelmässiges statisches Dehnen ist ein gutes Mittel, um beweglicher zu werden. Wichtig dabei: Nicht nur kurze Zeit, sondern mindestens 30 Sekunden in einer Dehnposition bleiben, damit die gewünschte Wirkung eintritt. Noch effektiver, das zeigen neuere wissenschaftliche Untersuchungen, scheint das aktive Dehnen zu sein. Bei dieser Dehnform wird durch die Aktivität der gegenspielenden Muskeln (Antagonisten) der gewünschte Bereich unter Dehnung gebracht. Dazu ein praktisches Beispiel: Will man die hinteren Oberschenkelmuskeln dehnen, legt man sich am besten in Rückenlage auf den Boden, beugt das Hüftgelenk rund 80° an und hält den Oberschenkel mit den Armen fest. Aus dieser Position streckt man dann aktiv das Bein. Dadurch werden die vorderen Oberschenkelmuskeln (Quadriceps) aktiviert und gleichzeitig die hinteren gedehnt.

Stretching helps her avoid cramps
Wer beweglicher werden will, sollte möglichst regelmässig dehnen

Wie dehnen Läufer richtig?

Wie bereits erwähnt, können sich Läufer auf einer Trainingsrunde im Dauermodus mit lockerem Loslaufen aufwärmen. Es braucht kein aufwändiges Warmup und auch kein „Eindehnen“ vor dem Joggen, bzw. es bringt keinen zusätzlichen Nutzen. Eine Ausnahme bilden Bahntrainings mit Intervallen und Sprints, da macht ein Einlaufen kombiniert mit Gymnastikübungen (dynamische Dehnübungen) durchaus Sinn.
Ein Dehnen nach dem Laufen ist vor allem dann zu empfehlen, wenn ein Laufsportler seine Beweglichkeit verbessern will. Sind hintere und vordere Oberschenkel- wie auch die Gesässmuskeln verkürzt, dann sollten diese mehrmals pro Woche gedehnt werden.

Wie beweglich sollte man sein?

Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, da es keine klaren Richtlinien gibt. Bisher konnte keine wissenschaftliche Studie aufzeigen, dass eine verbesserte Beweglichkeit zu weniger Verletzungen des Bewegungsapparates führt. Eine genügend grosse Beweglichkeit ist vor allem für die Befindlichkeit wichtig. Wenn man sich ungelenkig fühlt und dadurch im Alltag eingeschränkt ist, lohnt es sich, die Beweglichkeit zu verbessern. Und da wir im Alter alle steifer oder unbeweglicher werden, macht es mit zunehmendem Alter immer mehr Sinn, die Beweglichkeit zu erhalten. Das gilt für Sportler und Nichtsportler.

dudeStefan Abt ist diplomierter Physiotherapeut FH, diplomierter Sportphysiotherapeut, MAS in muskuloskelettaler Physiotherapie und Co-Leiter Therapien bei der Medbase Zürich.

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