Kaum ein anderer Mineralstoff steht im Laufen dermassen im Zentrum von Diskussionen wie Eisen. Dabei ist vor einem Mangel ebenso zu warnen wie vor einer Eisenüberlastung.
Während die meisten zu wenig Eisen als Auslöser von Symptomen wie Müdigkeit betrachten, warnen diverse Fachleute vor zu viel Eisen. Wie immer in der Ernährung gibt es einen goldenen Mittelweg. Eisen ist ein essenzieller Nährstoff. Ohne Eisen in unserer Nahrung werden wir mit der Zeit krank und können längerfristig nicht überleben. Wie bei allen Nährstoffen reicht auch beim Eisen eine abwechslungsreiche Lebensmittelwahl meistens aus, um eine ausreichende Zufuhr sicherzustellen. Und ohne Supplemente gibt es auch kaum Gefahr, zu viel Eisen zu erwischen. Bei gewissen Verhaltensweisen und Veranlagungen muss man aber stärker Acht geben, um dem Körper weder zu wenig noch zu viel Eisen zu verschaffen. Im Normalfall verfügt unser Stoffwechsel über ein cleveres System, um einmal eingenommenes Eisen effizient im Körper zu behalten. Dieses System ist perfekt auf die üblichen geringen Eisenmengen unserer Nahrung eingestellt. Sobald grössere Mengen an Eisen in den Körper gelangen, z.B. über Supplemente, kann dieses System ausgehebelt werden und es können echte Gesundheitsprobleme auftreten. Eisen ist somit ein wahrhaft doppelschneidiges Schwert: zu wenig macht uns krank, zu viel ebenfalls.
Wozu und wieviel Eisen?
Eisen ist wie alle Nährstoffe für verschiedene Funktionen nötig. Die wichtigsten sind: Transport und Speicherung von Sauerstoff, Energiebereitstellung und Immunabwehr (1). Eisen ist in freier Form giftig und wird daher im Stoffwechsel an andere Substanzen gebunden und streng kontrolliert. Eisen geht im Körper weder kaputt noch wird es „verbraucht“. Einzig über Blutverluste und Hautabschürfungen verlieren wir etwas Eisen. Diese kleinen Verluste müssen wir mit der Nahrung ersetzen. Bei Männern sind dafür etwa 10 mg Eisen pro Tag nötig. Bei Frauen ist diese Menge aufgrund der Monatsblutung höher und wird meistens mit täglich 15–20 mg Eisen angegeben (2). Wer mehr als 45 mg pro Tag einnimmt, besitzt eine erhöhte Gefahr von Verdauungsproblemen und beeinträchtigt die Aufnahme anderer Mineralstoffe. Deshalb dürfen 45 mg pro Tag nicht überschritten werden – ausser bei nachgewiesenem Mangel und entsprechender, durch eine Fachperson begleitete, aber nicht chronische Supplementierung.
Immer wieder hört man, dass Sport den Eisenbedarf erhöhe. Der oft genannte Grund: Rote Blutkörperchen würden beim Laufen zerstört. Rote Blutkörperchen werden beim Laufen wirklich wortwörtlich zerquetscht, wenn sie gerade in den Blutgefässen im Fuss herumschwimmen, während man mit dem Fuss auftritt (3). Das dabei aus den Blutkörperchen austretende Eisen wird aber rezykliert und geht nicht verloren. Dies ist Teil des cleveren Systems, um Eisen effizient im Körper zu behalten. Es ist auch richtig, dass Eisen im Schweiss enthalten ist und dies als weiterer Grund genannt wird, weshalb im Sport mehr Eisen nötig sei. Nennenswerte Mengen findet man aber nur, wenn der Eisengehalt im Schweiss mit ungenauen Methoden analysiert wird. Setzt man die beste Analysemethode ein, findet man nur sehr wenig Eisen im Schweiss (4). Sporttreiben erhöht den Eisenbedarf nur dann, wenn zusätzliche Blutverluste auftreten. Dies kann bei extremen Laufbelastungen erfolgen, wenn durch ständiges Reiben des Darms kleine Blutungen im Darm auftreten und Blut mit dem Stuhlgang ausgeschieden wird. Dies darf aber nicht ohne Abklärung als Grund gelten, um einen höheren Eisenbedarf für alle Sportlerinnen und Sportler anzunehmen.
Eisenmangel: Mehr Frauen betroffen
Bei zu wenig Eisen ist man müde und antriebslos. Beides kann aber viele Gründe haben (zu wenig Kohlenhydrate essen ist ein ganz heisser Kandidat), und diese sollten vorgängig überprüft werden, bevor man Eisen supplementiert. Der Eisenstatus wird oft über den Ferritingehalt im Blut bestimmt. Der „ideale“ Ferritingehalt ist individuell unterschiedlich. Bei weniger als rund 30 µg/L und begleitenden Symptomen kann man sicherlich an eine Erhöhung der Eisenzufuhr denken. Eisenmangel ist nicht selten. Er tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern, bei Vegetariern häufiger als bei einer Mischkost mit Fleisch, bei Sportlern häufiger als bei inaktiven Leuten und im Ausdauersport häufiger als in anderen Sportarten (5). Bei Müdigkeit oder Antriebslosigkeit, insbesondere als Vegetarier im Ausdauersport, sollte man also durchaus an mangelndes Eisen als mögliche Ursache denken.
Ursachenforschung entscheidend
Bei einem Mangel an egal welchem Nährstoff steht die Suche nach dem Grund an erster Stelle. Da Nährstoffe von Natur aus über die Nahrung aufgenommen werden, gilt es bei einem Mangel als Erstes auch das Essverhalten zu überprüfen. Falls jemand ganz simpel zu wenig isst, wird er oder sie von einer Korrektur des Essverhaltens wesentlich mehr profitieren als von einer Supplementierung eines einzelnen Nährstoffs. Dies gilt auch für das Eisen. Supplemente sollten daher nur nach medizinischer Diagnose und unter Abwägung der möglichen Nebenwirkungen eingenommen werden. Für Sportler besteht bei einer Eisenzufuhr zudem die Problematik, dass Infusionen ab einem bestimmten Volumen ein Verstoss gegen das Dopingreglement darstellen.
Nicht nur zu wenig, sondern auch zu viel Eisen ist ein Problem. So tritt mit steigendem Ferritin ein grösserer oxidativer Stress auf (6). Das wahre Sorgenkind heisst aber Hämochromatose (HC), eine vererbbare Krankheit. Bei der HC wird in ihrer schwersten Form immer mehr Eisen im Körper angehäuft, da die feine Regelung des Eisenstoffwechsels ausfällt. Nicht alle Menschen mit einer HC zeigen (sofort) klinische Symptome wie zum Beispiel Ermüdung oder Leberschäden. Wird bei HC aber viel Eisen eingenommen, steigt die Gefahr des klinischen Ausbruchs der Krankheit. Eine Person unter 200 hat die Veranlagung für diese schwere Form der HC (7). Deshalb ist es wichtig, nicht zu viel Eisen einzunehmen. Vor blinden, nicht von Fachpersonen begleiteten Supplementierungen muss man strikte abraten.
Nur wenig Eisen kommt über die Nahrung
Wir können nur einen kleinen Teil des Eisens aus unserer Nahrung aufnehmen. Dies geht bei tierischen Nahrungsmitteln viel besser als bei pflanzlichen, weshalb eine abwechslungsreiche, nicht-vegetarische Ernährungsweise die einfachste Wahl für einen guten Eisenstatus darstellt. Wer den Eisenstatus verbessern will, muss nicht zwingend auf Supplemente zurückgreifen. Mit einer cleveren Auswahl und Kombination von Lebensmitteln kann man die geringe Aufnahmefähigkeit nennenswert erhöhen. Wer beispielsweise sein Frühstück mit Orangensaft und ohne Tee einnimmt, kommt schon am Morgen zu einer höheren Eisenaufnahme. Viele weitere Tricks zur Verbesserung der Aufnahme sind im Hot Topic „Eisen und Eisenmangel“ des „Schweizer Forum Sporternährung“ aufgelistet.
Früher drehte sich fast jede Diskussion beim Eisen nur um den Eisenmangel und wie man ihn beheben kann. Heute sieht man aber auch immer wieder Sportlerinnen und Sportler mit überhöhten Eisenspeichern. Am Zürich Marathon 2006 wiesen von den total 170 untersuchten Läufern rund 15 % der Männer und 5 % der Frauen zu viel Eisen (8) auf. Zu wenig Eisen lag bei 28 % der Frauen und 2 % der Männer vor. Die Verteilung wird wohl auch heute noch ähnlich sein, denn Eisenmangel ist ein Thema geblieben, gerade im Ausdauersport. Bei der Diagnose wie auch der Behandlung muss man aber aufpassen, dass man nicht voreilig „überschiesst“ und dadurch im Körper eine Anhäufung von Eisen mit möglichen gesundheitlichen Konsequenzen verursacht.
(1) Ganz T. Physiol Rev 2013; 93:1721–41.
(2) Harvey LJ et al. Crit Rev Food Sci Nutr 2013; 53:1064–76.
(3) Telford RD et al. J Appl Physiol 2003; 94:38–42.
(4) Baker LB et al. Int J Sport Nutr Exerc Metab 2011; 21:233–9.
(5) Hinton PS. Appl Physiol Nutr Metab 2014; 39:1012–8.
(6) Tuomainen T et al. Free Radic Res 2007; 41:324–8.
(7) Beutler E. Annu.Rev.Med. 2006; 57:331–47.
(8) Mettler S, Zimmermann MB. Eur J Clin Nutr 201.
Ernährungs-Experte Dr. Paolo Colombani ist an der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen Leiter der Sporternährung und Mitbegründer des Swiss Forum Sport Nutrition (www.sfsn.ch)
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