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Motivation

Andreas Kempf: Zurück in Kenia

Der Schweizer Spitzenläufer Andreas Kempf berichtet über sein einmonatiges Trainingslager in der kenianischen Hochebene.

Nachdem ich letztes Jahr äusserst gute Erfahrungen mit einem Trainingslager in der kenianischen Hochebene gemacht hatte, entschied ich mich anfangs Jahr wieder für einen ganzen Monat dorthin zu reisen. Gemeinsam mit einigen anderen Schweizer Langstreckenläufern war ich wiederum im gleichen Hotel, dem Kerio View Lodge, in der Läuferhochburg Iten auf 2400 Meter über Meer untergebracht. Somit war ich bereits mit der Umgebung und den dortigen Gepflogenheiten vertraut, was ich als sehr angenehm erachtete.


 

Die Geheimnisse der kenianischen Läufer

In meinem letztjährigen Blog-Eintrag über das Höhentrainingslager in Kenia habe ich die Unterschiede zwischen dem Trainingsalltag von kenianischen und europäischen Läufern beschrieben. Dabei ging es auch darum, ein wenig dem Geheimnis der Dominanz der Kenianern (oder allgemein der Ostafrikanern) im Laufsport auf die Schliche zu kommen. Mal abgesehen von einigen Betrügern, die sich mit illegalen leistungssteigernden Mitteln behelfen, gibt es grundsätzlich keine Geheimnisse für ihren läuferischen Erfolg. Nebst ausgezeichneten Voraussetzungen durch die Höhenluft, sehr viel Bewegung bereits in der Kindheit, abwechslungsreiche und fordernde Laufstrecken, gesunde Ernährung und vor allem mangelnde Alternativen zum Profiläuferleben, ist es schlicht die harte Trainingsarbeit sowie die entsprechende Erholung, welche die Kenianer zu den besten Läufern der Welt macht.

 
Im Buch „Wunderläuferland Kenia“ vom deutschen Langstreckenläufer Jan Fitschen (u.a. 10‘000-Meter-Europameister 2006), welches ich in der Freizeit in Kenia genüsslich verschlungen habe, kann man auch nochmals auf die Suche nach den Geheimnissen der kenianischen (Wunder-)Läufer gehen. Fitschen schreibt in einem wunderbar erfrischenden und kurzweiligen Stil über seine Beobachtungen in Iten. Das Buch bestätigt meine Eindrücke und macht richtig Lust auf ein Trainingslager in Kenia. Ich kann es nur wärmstens jedem Laufbegeisterten zum Lesen empfehlen!
 

 

Zahlen und Fakten zum Trainingslager

Nun galt es also für mich während meinem Aufenthalt in Kenia vom 09.01. bis am 08.02.2017 nicht irgendwelchen Geheimnissen hinterherzurennen, sondern den Trainingsplan von meinem Trainer umzusetzen. Das heisst, einerseits hart und viel zu trainieren, andererseits extrem acht zu geben auf genügend Erholung zwischen den Trainingseinheiten. Was das genau bedeutet, habe ich versucht für euch in Zahlen zusammenzufassen:
 
720 Trainingskilometer, im Durchschnitt rund 23,2 Kilometer pro Tag
114 Runden auf dem Kamariny Track (Länge je nach Quelle 400 bis 408 Metern), der sagenumwobenen Aschenbahn von Iten
53 Trainingseinheiten verteilt auf 31 Tage in Iten
35 vertilgte Bananen (meistens, wenn überhaupt, das Einzige, welches ich vor der ersten Trainingseinheit morgens um 7:00 Uhr zu mir nahm)
26 vertilgte Mangos, welche hier einfach unglaublich schmackhaft und süss sind
25 Grad Celsius, die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur im Januar in Iten
22 Runden auf der Tartanbahn, welche ich nur für eine Trainingseinheit (15x 400 Meter mit 200 Meter Trabpause) nutzte, da der Eintrittspreis stolze KSH 2000.- (ca. CHF 20.-) beträgt
20 Winforce PowerPro Shakes, die ich häufig nach Trainings zur Unterstützung der Regeneration trank
19 Stunden im hoteleigenen Fitnessraum, die ich mit Kräftigungsübungen, der Blackroll und Dehnen verbrachte
14 Personen, mit denen ich gleichzeitig in einem VW-Bus mit 9 Sitzplätzen, einem sogenannten Matatu, sass (das Credo lautet: „A matatu is never full!“)
9,25 Stunden Schlaf durchschnittlich pro Tag inkl. Mittagsschlaf
9 Paar ASICS Laufschuhe, die ich nach Kenia mitnahm
8 Massagen, für welche man preiswerte KSH 1000.- (ca. CHF 10.-) pro Stunde bezahlt
6 gesehene Giraffen bei einem kurzen Abstecher in die Kruger Farm
5 Personen, die ich einmal gleichzeitig auf einem Motorrad sah (3 Personen ist in Kenia keine Seltenheit)
4 Paar ASICS Laufschuhe, die ich nach Hause zurücknahm (der Rest verschenkte ich am Ende des Lagers an das Hotelpersonal, denn Laufschuhe sind nach wie vor eine heiss begehrte Ware in Iten)
3,5 Liter Flüssigkeit, die ich ungefähr pro Tag trank
3,01 Regentage, wobei der Niederschlag ausschliesslich am Abend/in der Nacht kam
3 gelesene Bücher („Wunderläuferland Kenia“, „Harry Potter and the Cursed Child“ und „88 Dinge, die ein Läufer wissen muss“)
2 verpasste Trainingseinheiten aufgrund von Bauchschmerzen (man sollte nicht zu experimentierfreudig sein beim Essen und die Regel „boil it, cook it, peel it or forget it“ befolgen)
1 Grand-Slam-Titel von Roger Federer, welcher ich über dreieinhalb Stunden vor dem Fernseher an der Hotelbar erdulden musste
0 Mal rasiert, da beim stressigen Trainingslageralltag einfach keine Zeit dafür blieb 😉
 
Ob mich diese Zahlen schlussendlich zu Medaillen und neuen Bestzeiten führen werden, teste ich unter anderem an den Hallen-, Cross- und 10-Kilometer-Schweizermeisterschaften in den nächsten paar Wochen.

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