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Léonie von Tavel: Was für ein Saisonabschluss

Mässige Vorzeichen

Nach dem Bremgarten-Lauf hätte ich eine Woche lang Bäume ausreissen können. Dieser Erfolg hatte mich richtig beflügelt. Leider kam dann der Einbruch und ich kämpfte mit einer starken Erkältung in der Woche vor dem Gurten Classic. Alles, was nicht unbedingt sein musste, strich ich und sämtliche Trainings  wurden verschoben und gekürzt. Meine Moral war entsprechend schlecht: Ich hatte mich doch so auf den Berner Hausberg Gurten gefreut und war bis am Morgen davor nicht wirklich sicher, ob ich überhaupt starten sollte. In einer solchen Verfassung, wie in dieser Woche, frage ich mich immer mal wieder, wie dieses Gefühl für Profisportler sein muss: Im Kopf bist Du parat, aber der Körper macht nicht mit…
Ich startete dann mit meiner Kollegin Regula, aber alles andere als mit einem „heute-reiss-ich-Bäume-aus-Gefühl“, bzw. „heute-fliege-ich-den-Gurten-hoch“. Glücklicherweise machten wir am Start nochmals ganz klar ab, dass wir nicht aufeinander warteten, wenn es beiden unterschiedlich laufen sollte.

Das Feld kurz nach dem Start
Das Feld kurz nach dem Start. © GurtenClassic

Aufgeben?

Das war nämlich schon auf dem 2. Km der Fall. Regula lief es viel besser und sie lief in einem Tempo, mit dem ich nicht mithalten konnte. Sie zog davon und ich war froh darum.  So konnte ich mich ganz auf mich konzentrieren. Auf km 3 war mir klar, dass ich mich zwischen aufgeben oder Schongang entscheiden musste. Ich entschied mich für Schongang und lief entsprechend die erste happige Steigung nur zur Hälfte hoch. Danach ging ich bis auf die Anhöhe in schnellem Schritttempo und war dabei auch nicht die einzige. Das Wetter war glücklicherweise sehr motivierend, es war herrlich sonnig und die Natur erstrahlte in den schönsten Herbstfarben. Ich genoss die Landschaft und liess mich durch meine mässige Form nicht allzu stark frustrieren. „Schräge Lauf-Vögel“, die wie ich so oft eher am Schluss des Feldes laufen, brachten mich auch etwas auf andere Gedanken.

Turbo gezündet

Vor dem Wettkampf studierte ich die Höhenkurven ziemlich genau und wusste, dass es nach der ersten Steigung einige km bergab gehen würde. Auf diesen km zündete ich meinen „Turbo“ und verbesserte meine eigene 5km-Bestzeit in diesem Streckenabschnitt. Ich realisierte kurz vor der Streckenhälfte, dass ich zeitlich trotz langsamem Aufstieg gut unterwegs war. Das war sehr motivierend und ich wollte versuchen, den Pace auf dem flachen Stück zu halten. Leider stürzte ich dann gleich zweimal hintereinander. Sofort stand ich wieder auf, „richtete die Krone
“ und lief weiter. Erst später bzw. zu Hause sah ich an meinen Kleidern und an meinem Körper, dass die Stürze wohl härter waren, als ich es (glücklicherweise) während des Rennens realisierte. Aber es demoralisierte mich doch ziemlich und ich drosselte mein Tempo und musste mich sehr auf den Boden und meine Beine konzentrieren. Keine Spur von Gedanken fliegen lassen. Alle, die verstehen, von was ich schreibe, wissen, dass dann ein Wettkampf mehr „Kampf als Wett“ wird.

Kurz vor dem Ziel.
Mit den Alpen im Rücken und einem Lächeln auf den Lippen Richtung Ziel.

Auf dem Gurten gewesen

Zwischendurch gelang mir ein etwas schnellerer km und sofort war ich besseren Mutes. Und bei km 11 und der Verpflegung warteten meine Jungs und motivierten mich und gaben mir meine Zwischenzeit durch. Und dann ging es hoch und hoch in einem herrlichen Panorama auf Bern und Umgebung, die Alpen einerseits und den Jura andererseits. Prächtig. Aber in den Beinen hatte ich keine Kraft mehr und musste fast alles laufen, konnte nicht mehr rennen. Nicht einmal mehr, als es vor dem Ziel noch einige 100m runterging. Die Uhr stoppte im Ziel bei 1 Stunde und 49 Minuten und ich war „uf em Gurte gsi“ (schweizerdeutsch für „auf dem Gurten gewesen“ – die T-Shirt-Beschriftung)! Damit war ich in Anbetracht meiner Verfassung sehr zufrieden.
Herzliche Gratulation an Regula: Sie lief bei 1.41 ins Ziel! Ich freue mich auf weitere Wettkämpfe mit ihr.

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