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Lauflegenden: Was wir alle von Grete Waitz lernen können

Grete Waitz war die ultimative Läuferin. Sie ist Weltrekorde über 3000m, 10km, Halbmarathon und Marathon gelaufen. Vor allem auf der Marathon-Distanz war sie eine Klasse für sich. Sie war die erste Frau, die unter 2:30 Stunden blieb und gewann neun (!) Mal den New York Marathon – Rekord. Dazu kommen fünf Weltmeistertitel im Cross, einer im Marathon (1983) und die Silbermedaille an den Olympischen Spielen 1984 über die gleiche Distanz. Dieses unglaubliche Palmarès hat Bill Rodgers – selber einer der besten Marathon-Läufer der späten 1970er-Jahre – zu folgenden Aussagen bewogen: Im Gegensatz zu den Männern sei es bei den Frauen einfach, die beste aller Zeiten zu nennen. Es könne nur Grete sein. „Sie hat auf jeder Distanz gewonnen. Sie war dominant. Sie ist die beste weibliche Langstrecken-Läuferin aller Zeiten.“

Waitz war jedoch nicht nur eine herausragende Läuferin. Sie war auch ein herausragender Charakter. Für die Entwicklung des Frauen-Laufsports war die charismatische Norwegerin eine zentrale Figur. Sie lief während ihrer grossen Karriere nie Gefahr, abzuheben, blieb stattdessen bescheiden und ihrer Heimat Oslo stets verbunden. Zwar betonte sie die Wichtigkeit einer Winner-Mentalität, diese solle man jedoch nicht nach aussen tragen. „Es ist fantastisch, selbstbewusst zu sein. Aber lasse deine Leistungen für sich sprechen. Mache niemals eine freche öffentliche Aussage.“
Die Marathon-Königin engagierte sich unter anderen auch als Laufveranstalterin und als Buchautorin. Als letztere beschrieb sie fünf entscheidende Punkte, um im Laufen weiterzukommen:
1. Habe ein wegweisendes Ziel.
2. Setzte dir realistische Ziele und sei flexibel.
3. Steigere oder verändere dein Trainingsprogramm nicht zu schnell. Der Körper braucht Zeit zur Anpassung.
4. Ändere nichts, was für dich funktioniert.
5. Folge dem Prinzip von hartem/leichtem Training.

Immer das Ziel im Blick: Grete Waitz
Immer das Ziel im Blick: Grete Waitz

Eine weitere interessante Spezialität von Waitz war, dass sie kein Peaking auf die wichtigen Wettkämpfe praktizierte (die Ausnahmen waren der Marathon der Weltmeisterschaften 1983 sowie derjenige der Olympischen Spiele 1984. Auf diese Wettkämpfe fokussierte sie sich ein Jahr lang). Der Grund dafür ist einleuchtend: Sie sah es als zu riskant an, alles für ein weit entferntes Ziel zu opfern. Ausserdem, so die Meinung von Waitz, würde der mentale Druck des Peaking ihr die Freude am Training nehmen.
Hingegen glaubte sie fest daran, dass Schnelligkeitstraining für alle Läufer wichtig ist – auch für jene, die nur ins Ziel kommen wollen. Weiter betont sie in ihrem Buch, dass ihr Marathon-Training im Grunde das selbe sei wie dasjenige für 3000m, 5000m oder 10’000m. Der Unterschied besteht gemäss Waitz nur im höheren Gesamt-Kilometerumfang. (Und dieser kommt v.a. durch den zusätzlichen Long Run von 20-33km zustande). Sie war allerdings nie eine „High-Milerin“ und lief in ihrer Karriere nie mehr als 160km pro Woche. Ihre Trainingswochen sahen prinzipiell wie folgt aus:

Grete Waitz‘ Trainingswoche
Vormittag Nachmittag
Montag 10-15km in 4min/km 10-15km in 4min/km
Dienstag 10-15km in 4min/km 6-8x1km (1-2min Pause)
Mittwoch 10-15km in 4min/km Ruhe
Donnerstag 10-15km in 4min/km Fahrtspiel 13km, mehrere 500m-Sprints
Freitag 10-15km in 4min/km 10-15km in 4min/km
Samstag 10-15km in 4min/km 15-20x300m
Sonntag 20-33km Tempodauerlauf Ruhe

(Quelle: Noakes Timothy, Lore of Running, Kapstadt 42003, 425)
Neben den oben zitierten fünf „goldenen Regeln“ fürs Laufen besteht Waitz‘ Lehre für uns alle also vor allem darin,

  • übers ganze Jahr regelmässig zu trainieren
  • dem Schnelligkeitstraining genügend Platz einzuräumen und
  • die extensiven Dauerläufe als Basis allen Trainings zu berücktsichtigen

Die allerwichtigste Lehre aus Waitz‘ Leben und Karriere ist jedoch die: Egal, wie gut du als Läufer(in) bist – es ist das Menschsein, das zählt. 1992, zwei Jahre nach ihrer letzten kompetitiven Teilnahme, startete sie ein noch einmal am New York Marathon. Sie begleitete Fred Lebow, den Gründer des Anlasses und ein enger Freund von ihr. Lebow feierte seinen 60 Geburtstag. Und hatte früher im Jahr einen Gehirntumor diagnostiziert erhalten. Die zwei Lauflegenden liefen nach 5:32:25 Stunden mit erhobenen Armen gemeinsam ins Ziel und lagen sich danach eine gefühlte Ewigkeit in den Armen. Obwohl sie an diesem Tag triumphierten, besiegte die Krankheit am Ende beide. Lebow starb 1994 an den Folgen des Krebs, Waitz elf Jahre später.

Eine Antwort auf „Lauflegenden: Was wir alle von Grete Waitz lernen können“

Hallo Zusammen
Am Schluss des Artikels habt ihr einen Fehler! Grete Waitz starb am 19. April 2011 mit nicht ganz 58 Jahren, also 17 Jahre nach Fred Lebow.

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