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Andreas Kempf berichtet von den Military World Games 2015

Normalerweise neigt sich die Saison eines Bahnläufers spätestens im September dem Ende zu. Dies galt jedoch dieses Jahr nicht für mich. Gemeinsam mit neun weiteren Schweizer Leichtathleten und Linda Züblin wurde ich für die im Oktober zum sechsten Mal ausgetragenen Military World Games (sog. Militärweltspiele) in Mungyeong, Südkorea selektioniert. Die Military World Games wurden 1995 zum Jubiläum des Endes des zweiten Weltkrieges ins Leben gerufen und finden seither immer ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen statt. Organisator der Spiele ist der Council International du Sport Militaire (CISM), der sich das Motto „Friendship through Sport“ auf die Fahne geschrieben hat. Es werden eine grosse Anzahl olympischer sowie einige militärspezifischere Sportarten (Militärischer Fünfkampf, Fallschirmspringen, Orientierungslaufen) abgedeckt. Um als Schweizer Athlet/-in an den Military World Games teilnehmen zu können, muss man Angehöriger der Schweizer Armee sein und vom jeweiligen nationalen Sportverband selektioniert werden. So viel zu den Hintergrundinformationen…
CH-Delegation
Die Reise nach Südkorea dauerte von meiner Läufer-WG im Liebefeld bis nach Goesan in die Athletenunterkunft rund 27 Stunden. Da wir mit Emirates von Zürich via Dubai nach Seoul zwei Mal mit einem A380 fliegen konnten, waren die Flüge relativ angenehm. Trotzdem war ich natürlich nach so einer Reise ziemlich auf den Felgen und froh, endlich einige Stunden in der Horizontalen liegen zu können. Die Unterkunft in Goesan war das grösste von drei Athletendörfern und bot in sechs Häusern rund 4300 Personen Platz. Das Zimmer, welches ich mit den anderen neun Schweizer Leichtathleten teilte, war ganz in Ordnung und hatte ein grosses Fenster mit einem nicht allzu dichten Rollladen. Damit ich in der Nacht ungestört schlafen konnte, war ich um meine Ohropax und meine Schlafbrille froh. Die sanitären Einrichtungen wie Toiletten, Duschen und Waschmaschinen befanden sich im gleichen Gang wie unser Zimmer. Des Weiteren fand man im Athletendorf so ziemlich alles, was ein richtiges Dorf auch zu bieten hat: Bank, Post, Apotheke, kleiner Einkaufsladen, Fitnesscenter, Religiöse Einrichtungen, Kino, PC-Räume und überall Wifi. Am beeindruckendsten fand ich jedoch die riesige „Dinning Hall“, in welcher alle Nationalitäten zusammenkamen und von 6:00 – 10:00 Uhr Morgenessen, 11:00 – 16:00 Uhr Mittagessen und 17:00 – 24:00 Uhr Abendessen konnten. Am Buffet gab es so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Da fiel es manchmal schwer den Überblick zu behalten und sich zu entscheiden.
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Sollte man den Überblick ansonsten einmal wirklich verloren haben oder sonst irgendeine Frage auftauchen, halfen einem die südkoreanischen Volunteers weiter. Sie waren überall anzutreffen (meistens scharenweise), stets gut gelaunt und manchmal fast übertrieben freundlich. Mit Englisch und ein bisschen mit Händen und Füssen konnte man sich sehr gut mit ihnen verständigen. Schwierig wurde es nur, wenn sie etwas entscheiden mussten, das ihre Kompetenz überschritt, oder wenn man bei der Zutrittskontrolle ins Athletendorf Essen (auch Waffen oder Drogen stellten ein Problem dar) dabei hatte. Allgemein war die Stimmung unter den Helfern, Athleten und Funktionären verschiedenster Herkunft ausgesprochen gut und friedlich. Da gerieten sich weder der 150 Kilogramm schwere chinesische Boxtrainer und der dünne amerikanische Rennvelofahrer, noch der kleine palästinensische Fallschirmspringer und der grosse syrische Hochspringer in die Haare.
Das Motto der Games „Friendship together, peace forever“ wurde insbesondere an der imposanten Eröffnungsfeier stark gelebt. Neben lokaler Prominenz wohnten unter anderem die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye und der Chef der Schweizer Armee André Blattmann, welcher anschliessend noch kurz das Gespräch mit uns suchte, im Stadion der Feier bei. Schwer beeindruckend war nebst der Eröffnungsfeier auch die ganze Organisation dieses Anlasses. Beinahe alles funktionierte einwandfrei. Von den Mahlzeiten über die tadellose Internetverbindung bis zu den 45-minütigen Transporten in Bussen mit kitschigem Interieur zwischen dem Athletendorf und den Sportstätten.
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Die Leichtathletikwettkämpfe fanden im KAFAC Sports Complex statt. Dieses Stadion wurde für die Military World Games neu gebaut, bietet 10‘000 Zuschauern Platz und war auch der Austragungsort für die Eröffnungs- und Schlussfeier. Es ist Teil einer gigantischen Sportanlage im Grünen, ein wenig abseits der Stadt Mungyeong. Mein Vorlauf war am Dienstagmorgen um 10:30 Uhr Ortszeit, knapp eine Woche nach unserer Ankunft in Südkorea, angesetzt. Somit hatte ich genügend Zeit, mich zu akklimatisieren. Der Modus war wie folgt: Die fünf Ersten kommen direkt ins Finale sowie die fünf Zeitschnellsten. Glücklicherweise wurde ich in den zweiten von zwei Vorläufen eingeteilt. Nach den Resultaten vom ersten Vorlauf war klar, dass eine Zeit unter 14:45 und mindestens Rang 9 in meiner Serie für den Finaleinzug reichen würden. Dies war eine nicht allzu schwierige Aufgabe für mich, die ich sogar mit ein bisschen Reserve mit Rang 7 und 14:35 erfüllen konnte.
Da der Final bereits zwei Tage später auf dem Programm stand, musste ich mich so schnell und so gut wie möglich erholen. Dazu nahm ich ein Eisbad, ass gut, schlief viel und vertrat mir die Beine bei lockeren Footings. Am Abend vor dem Final wurde die Taktik mit Philipp Weissenberger und Alexander Hochueli, welche als Coaches von uns Leichtathleten dabei waren, sowie mit Stefan Spahr, dem Disziplinenchef CISM Leichtathletik Schweiz, besprochen.
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Voller Zuversicht auf einen Top-Ten-Platz und mit der Möglichkeit, sogar bester Europäer zu werden, startete ich in den Final. Kurz nach Beginn setzte sich eine Spitzengruppe bestehend aus sechs Läufern, die klar stärker einzuschätzen waren als ich, vom Rest des Feldes ab. Ich positionierte mich in der zweiten Gruppe, welche unter dem Tempodiktat des Amerikaners Benjamin Payne auch eine schnelle Pace anschlug. Wie sich im Nachhinein herausstellte, eine zu hohe Pace für mich. Die 3000-Meter-Marke passierten wir in 8:23, was einer Endzeit von knapp unter 14:00 entspricht. Danach lief ich komplett in die Wand. Es ging nicht nichts, sondern gar nichts mehr. Ich wurde von Läufern überholt, die ich zwischenzeitlich 100 Meter distanziert hatte. Als enttäuschender 13. von 15 Läufern beendete ich das Rennen in 14:40. So hatte ich mir den Saisonabschluss natürlich nicht vorgestellt. Aber scheinbar war ich schlechter erholt als gedacht vom Vorlauf und ging bei 25 Grad zu viel Risiko ein.
Die Enttäuschung schlug dann an den folgenden Tagen schnell wieder in Freude um. Zusammen mit den anderen Schweizern verfolgte ich noch einige Wettkämpfe, genoss die Schlussfeier, erkundete Seoul und besuchte die Grenze zu Nordkorea. Kurz bevor wir wieder ins Flugzeug nach Hause stiegen, wurden wir sogar noch auf der Schweizer Botschaft in Seoul empfangen. Was für eine Ehre!
Zusammenfassend waren die Military World Games ein eindrückliches Erlebnis für mich. Ich fühlte mich ein wenig wie an einer kleineren Version der Olympiade. Vielen Dank an die Schweizer Armee und Swiss Athletics, die mir diese Erfahrung ermöglichten. Schade klappte es nicht ganz mit einem Top-Ten-Ergebnis. Vielleicht bekomme ich ja in vier Jahren in Wuhan/CHN nochmals eine Startgelegenheit…
Andreas Kempf

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