Wer kennt sie nicht, die Momente, in denen man sich traurig, einsam oder gar niedergeschlagen fühlt? Doch wie erkennt man eine aufkeimende Depression, was sind die Auslöser – und welchen Einfluss haben dabei Sport und Bewegung? Eine Bestandesaufnahme.
Stimmungstiefs gehören zu unserem Leben dazu – wo Licht ist, da sind immer auch Schatten. Was aber, wenn die Schatten grösser werden – und wir dadurch als Folge…
…unser Selbstvertrauen verlieren,
…nicht mehr schlafen können,
…uns erschöpft fühlen,
…uns nicht mehr konzentrieren können,
…die Freude und das Interesse an vielen Dingen verlieren,
…ängstlich und nervös sind oder oft Kopfschmerzen haben,
…über Magenprobleme, Rücken- oder andere Schmerzen klagen,
…keine Lust auf Sex haben,
…und uns für alles zuerst überwinden müssen?
Treten drei oder mehrere der oben genannten Symptome gleichzeitig und während mindestens 14 Tagen auf, können sie auf eine depressive Erkrankung hinweisen. Eine Depression ist dabei so individuell wie der Mensch, der unter ihr leidet. Und ebenfalls wichtig zu wissen: Eine Depression unterscheidet sich von einem Stimmungstief. Wer depressiv ist, hat grosse Mühe, im Alltag zu bestehen und soziale Kontakte zu pflegen. Arbeitsunfähigkeit kann eine Folge davon sein. Im deutschsprachigen Raum leiden rund 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression.
Auslöser einer Depression
Die Ursachen einer Depression sind vielschichtig und nicht vollumfänglich geklärt. Mögliche Auslöser können anhaltender negativer Stress sein, belastende Lebenssituationen, traumatische Kindheitserlebnisse, Mobbing, Arbeitslosigkeit, der Tod eines geliebten Menschen, Alkohol- und Drogensucht sowie viele weitere Gründe, etwa auch eine erbliche Komponente.
Das Krankheitsbild einer Depression ist nicht immer offensichtlich. Denn viele depressive Menschen halten sich nicht für krank, sondern für Versager. Dabei ist die Depression aus medizinischer Sicht eine Krankheit. Viele Fachleute vermuten, dass für eine Depression unter anderem ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn (sogenannte Neurotransmitter) verantwortlich ist. In der Therapie werden deshalb Medikamente eingesetzt, die dieses Ungleichgewicht im chemischen Haushalt des Gehirns wiederherstellen sollen.
Kann Sport helfen?
Depressionen lassen sich im Allgemeinen gut ambulant behandeln. Zur Verfügung stehen verschiedene psychotherapeutische Methoden, Medikamente sowie seltener auch Lichttherapie, Wachtherapie (Schlafentzug) und in ganz schweren Fällen die Elektrokrampfbehandlung. Ist die Depression sehr schwer oder droht gar Suizidgefahr, ist eine Hospitalisation hilfreich.
Auch Sport kann einen positiven Einfluss auf den Verlauf einer Depression ausüben. Dass Bewegung bei psychischen Problemen helfen kann, ist keine neue Idee. Doch erst seit einigen Jahren untersucht die moderne Medizin mit wissenschaftlichen Methoden, inwieweit Sport sich konkret dazu eignet, die Schatten von der Seele depressiver Menschen zu vertreiben.
Amerikanische Forscher teilten 156 Patienten mit Depression nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen ein. Eine Gruppe wurde rein medikamentös behandelt, die zweite nahm Medikamente ein und absolvierte zudem regelmässig ein spezielles Ausdauertraining, und die dritte Gruppe betrieb lediglich das Sportprogramm. Fazit: Die besten Ergebnisse wurden mit der Kombination aus Sport- und Medikamenten-Therapie erzielt. Regelmässiges Ausdauertraining alleine hatte eine vergleichbar stimmungsaufhellende Wirkung wie die alleinige Behandlung mit Antidepressiva. In Sachen Rückfallquote schnitt „Sport pur“ sogar am besten ab.
Ausdauersport besonders geeignet
Hauptsache regelmässig! Untersuchungen zeigen, dass die stimmungsaufhellende Wirkung körperlicher Bewegung sich schnell wieder verflüchtigt, wenn die Depressionspatienten längere Pausen einlegen. Zwar gibt es keine offiziellen Leitlinien, aber ein- bis zweimal pro Woche sollte man schon die Sportschuhe schnüren. Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen sind Studien zufolge als Mittel gegen Depressionen besonders gut geeignet. Nicht übertreiben, lautet die Devise, vor allem zu Beginn einer regelmässigen Sportaktivität. Das Sportprogramm sollte sich immer an der körperlichen Leistungsfähigkeit orientieren, damit es zu einem positiven Erlebnis wird.
Mittlerweile gilt es als wissenschaftlich erwiesen, dass Bewegung und körperliche Aktivität bei leichten bis mittelschweren Depressionen ein wirksames Therapeutikum sind. Und auch in schweren Fällen kann Sport zumindest eine wertvolle Unterstützung zu Antidepressiva und Psychotherapie sein. Dennoch sollten Betroffene nicht versuchen, der Erkrankung in Joggingschuhen davonzulaufen. Problematisch dabei ist, dass einerseits der Bewegungsdrang von depressiven Menschen eher eingeschränkt ist, und andererseits kann exzessiv betriebener Sport auch ein Hinweis auf eine Depression sein. Auf jeden Fall stellen Depressionen eine ernstzunehmende Problematik dar und erfordern die Behandlung durch einen qualifizierten Arzt beziehungsweise durch einen Psychotherapeuten. Dass Sport dabei eine gute Therapieoption darstellt – ob allein oder in Kombination mit Medikamenten – ist mittlerweile auch den meisten Medizinern und Psychologen bewusst.
Dr. med. Patrik Noack ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, Manuelle Medizin und Sportmedizin. Er arbeitet bei Medbase Abtwil als Co-Leiter Medizin.