Viele Breitensportler wollen mittels Leistungstests wissen, wo sie stehen und welche Trainingsparameter, wie beispielsweise die Herzfrequenz oder die Geschwindigkeit, sich daraus ableiten lassen. Doch welche Messmethoden eignen sich für welche Sportler?
Sportliche Betätigung lebt vom Vergleich. Vom Vergleich mit sich selbst, mit Gleichaltrigen, mit Konkurrenten. Wer sportlich unterwegs ist, will sich neben der Lust an der Bewegung auch verbessern, schneller werden, leichtfüssiger laufen, kräftiger kurbeln. Sportler möchten wissen, wo ihre Stärken liegen, aber auch, wo die Schwächen stecken und wie sie diese verbessern können. Für die erste Einschätzung einer Ist-Situation ist ein erfahrener Trainingspartner oder Coach die passende Ansprechperson, aber auch die Leistungsdiagnostik hat sich für eine aussagekräftige Bestandesaufnahme etabliert. Je nach Anspruch und Zielsetzung kann damit ein aktuelles Leistungsniveau erfasst und entsprechend interpretiert werden. Die Möglichkeiten der Analyse sind heute so vielfältig wie nie zuvor. Ob Tempo, Anstrengungsgrad, Distanz und Höhenmeter, Herzfrequenzvariabilität, optimale Regenerationsdauer, VO2max – viele beteiligten Parameter sind präzise messbar. Und dies nicht mehr nur im Medizinlabor mit aufwendigen Apparaturen, sondern zu erschwinglichen Preisen beim spezialisierten Anbieter oder gar mit günstigen Sportuhren, Trackern oder Apps zum Nulltarif. Die Frage lautet daher längst nicht mehr, was wir alles messen können, sondern vielmehr, was wir mit der erhobenen Datenflut alles machen wollen.
12-Minuten-Lauftest nach Cooper
Die einfachste Leistungstestform, die viele (mit mehr oder weniger freudiger) Erinnerung noch aus der Schule kennen, ist der 12-Minuten-Lauftest nach dem amerikanischen Arzt Kenneth Cooper. Beim Cooper-Test wird während 12 Minuten – meist auf einer Rundbahn – so schnell wie möglich gelaufen und die zurückgelegte Distanz gemessen. Die Leistungsbewertung findet nach Alter und Geschlecht mittels Vergleichstabellen statt. Die erste grosse technische Revolution in der Leistungsanalytik im Ausdauersport geht zurück auf das Ende der Siebzigerjahre, als die Erfindung der alltagstauglichen Pulsuhr das sportliche Training in eine neue Dimension hob. Die Aufzeichnung des individuellen Herzschlags gibt den Athleten die Möglichkeit, ihre ganz persönliche Reaktion auf unterschiedliche Trainingsreize zu bestimmen, wodurch wichtige Inputs für die Trainingssteuerung geliefert werden. Das regelmässige Training mittels Pulsuhr ermöglichte es, von Pauschalformeln wie 220 minus Alter (galt lange Zeit als Umrechnungswert für den ungefähren Maximalpuls) oder auch 180 minus Alter (als Pauschalregel für den Ausdauerpuls) wegzukommen und dem individuellen menschlichen Herzschlag seinen gerechtfertigten Stellenwert zu geben. Auch wenn es aus heutiger Sicht banal erscheint – die Erfindung der Pulsuhr stellte – sofern die Sportler die aufgezeichneten Werte achtsam mit ihrem subjektiven Gefühl und den Rahmenbedingungen der sportlichen Leistung in Zusammenhang bringen – einen grossen Schritt dar in Richtung «Mündigkeit» eines Athleten. Für die nächste grössere Umwälzung sorgte der Conconi-Test, der anfangs der Achtzigerjahre vom italienischen Sportarzt Francesco Conconi erfunden wurde.
Conconi-Stufentest: ein Klassiker
Der Conconi-Test ist ein Stufentest, bei dem mittels Bestimmung der anaeroben Schwelle die Ausdauerleistungsfähigkeit definiert wird. Grundlage des Tests ist ein gleichmässiges, schrittweises Erhöhen der Belastungsstufen, bis der Proband seine Leistung nicht mehr erhöhen kann. Durch seine Standardisierung und einfache Durchführung etablierte sich der Conconi-Test vor allem in der Schweiz über viele Jahre als DER Leistungstest schlechthin in der Sportdiagnostik. Bald kamen als zusätzliche Information die Laktatwerte, die bei den einzelnen Stufen gemessen werden, zu den Pulswerten hinzu. Das Testprozedere wurde dadurch erschwert, weil nach jeder Stufe mit einem Tropfen Blut (entweder aus dem Finger oder aus dem Ohr) der Laktatwert ermittelt werden muss und mobile Messgeräte lange Zeit sehr schwankende Werte ablieferten. Zudem ist man sich bei der Interpretation der Laktatwerte bis heute nicht wirklich einig bzw. es setzte sich die Erkenntnis durch, dass auch die Laktatwerte wie der Herzschlag individuell sind und pauschale Interpretationen nur mit viel Vorsicht zu geniessen sind. Gemessene Werte erweisen sich vor allem dann als aussagekräftig, wenn sie über grössere Zeitspannen in ihrem Verlauf verglichen werden können. Beim Conconi-Test erwies sich die kurze Stufenlänge für die Ausdauersportarten als heikel, weshalb er im Laufe der Zeit nach und nach durch andere Stufentestvarianten abgelöst wurde.
Laktatstufentest
Bei den meisten Leistungsdiagnostik-Anbietern sind mittlerweile Stufentests mit einer dreiminütigen Stufenlänge gängig. Derartige Laktatstufentests stellen heute die am besten standardisierte Untersuchung für Ausdauersportler dar. Neben Herzschlag und Laktat noch einmal zusätzliche Informationen lieferte die Messung der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO2max) mittels Spiroergometrietest, der nach der Jahrtausendwende Einzug in die moderne Leistungsdiagnostik hielt. Um die VO2max messen zu können, absolviert der Athlet mit einer Atemmaske einen Stufentest im Labor (auf Laufband oder Ergometer). Die VO2max wird als wichtiges Kriterium für die Einschätzung der Ausdauerleistungsfähigkeit eines Sportlers herangezogen. Möglichkeiten zur vielfältigen Datenerhebung gibt es viele. Die entscheidende Frage ist, was man mit einem Leistungstest erreichen will. Die Spiroergometrie gilt als «Goldstandard» zur Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit. Um bei Leistungstests eine Vergleichbarkeit mit anderen Personen und über die Zeit zu gewährleisten, müssen die Untersuchungen nach einem genau festgelegten Protokoll durchgeführt werden. In der Schweiz haben sich unter dem Patronat von Swiss Olympic die Swiss Olympic Medical Centers sowie die Sport Medical Bases approved by Swiss Olympic auf ein gemeinsames Protokoll bei den Leistungstests geeinigt, um die Übertragbarkeit der Resultate besser zu gewähren. Dieses legt sowohl Raumbedingungen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit wie auch Testablauf mit Stufendauer und Steigerungsintervall fest. Die Auswertung der Leistungstests erfolgt über die im Test erhobenen Leistungswerte wie Pulsverlauf, Laktatkurve und subjektive Belastungsintensität (Belastungsskala nach Borg) im Ruhezustand und am Ende jeder Belastungsstufe.
Spiroergometrie
Die wichtigste Zielsetzung von Leistungstests im Ausdauersport ist die Bestimmung der individuellen anaeroben Schwelle und dadurch die Definition und Aufteilung der unterschiedlichen Herzfrequenzbereiche, mit denen am sinnvollsten auf ein spezifisches Ziel hin trainiert werden sollte. Bei Laktatstufentests werden dafür die aerobe und anaerobe Schwelle bestimmt, in der Spiroergometrie spricht man von der 1. und 2. ventilatorischen Schwelle. Beide Werte stehen für die (fliessenden) Übergänge von Stoffwechselprozessen im Körper und geben Aufschluss darüber, mit welcher Intensität man wie schnell und wie lange unterwegs sein kann, bis ein Leistungseinbruch erfolgt. Die einzelnen Prozesse gehen mit messbaren Veränderungen des Blutlaktatspiegels und mit schwellenartigen Übergängen im Atemmuster einher. Obwohl eine standardisierte Leistungsdiagnostik präzise Daten und wertvollen Input liefern kann, gibt es nur wenige Spitzensportler, die im Laufe ihrer Karriere an den üblichen Leistungstests festhalten. Der Grund ist einleuchtend: Ausdauersportkarrieren erstrecken sich über einen derart langen Zeitraum, dass sie die Neuerungen bei den modernen Testverfahren inklusive Interpretation bei Weitem überdauern, wodurch die Athleten alle paar Jahre wieder ein neues Testverfahren anwenden müssten. Gerade die Standardisierung eines Verfahrens unter immer gleichen Bedingungen ist aber DER entscheidende Kernpunkt einer aussagekräftigen und langfristigen Leistungsdiagnostik. Zudem ist die Übertragbarkeit der Testresultate in die spezifische Kernsportart bei den meisten Standardtests nur bedingt vorhanden. Puls- und Laktatwerte geben zwar Hinweise, aber noch lange keine Garantie für einen erfolgreichen Wettkampf in der gefragten Disziplin. Wissenschafter, Trainer und Sportler im Leistungssport entwickeln daher laufend eigene Testverfahren, oft sportartspezifische Maximaltests unter Laborbedingungen oder praktische Feldtests.
Belastungsempfinden nach Borg
Viktor Röthlin beispielsweise setzte im Höhepunkt seiner Karriere auf einen selbst entwickelten «Marathon-Pacetest», bei dem er eine bestimmte Geschwindigkeit auf dem Laufband so lange wie möglich halten musste. Dabei zeichnete er sowohl Herzschlag und Laktatwerte auf. Für das subjektive Belastungsempfinden setzte er die Borgskala ein. So war der schnellste Schweizer Marathonläufer der Geschichte jederzeit in der Lage, seine aktuell mögliche Marathonzeit auf wenige Sekunden genau einzuschätzen. Ebenfalls spezifisch auf ihre Sportart ausgerichtet testen die Langläufer um Dario Cologna. Sie ermitteln auf dem grossen Laufband in Magglingen auf ihren Rollski mittels eines Doppelstock-Stosstests die Distanz, die sie während 3 × 8 Minuten Belastung mit 2 Minuten Pause dazwischen erreichen können. Der Clou dabei: Das Tempo können die Athleten wie im Wettkampf selber bestimmen, indem sie auf dem Laufband etwas weiter vorne (= schneller) oder weiter hinten (= langsamer) laufen. Auch die Biker um Nino Schurter versuchen in einem ähnlichen Test, gezielt diejenigen Wettkampfbedingungen zu simulieren, die ihre Sportart widerspiegeln oder gar die Charakteristik eines kommenden Höhepunktes imitieren (z. B. Olympiastrecke).
Fazit für Hobbysportler
Als erstes Kurzfazit kann man zusammenfassen: Primäre Ziele der Ausdauerleistungsdiagnostik sind die Beurteilung des aktuellen Leistungsniveaus, der Leistungsentwicklung (z. B. Beurteilung der Effektivität von Trainingsprozessen, Altersentwicklung) und die Ableitung von Trainingsempfehlungen. Eine Leistungsdiagnostik kann vor allem für Hobbysportler gute Dienste leisten, wenn man sich im Klaren darüber ist, welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen sollen. Geht es um Trainingsempfehlungen mittels Bestimmung der Trainingsbereiche, um eine Standortbestimmung oder um einen Leistungsvergleich mit dem Vorjahr? Oder um die Potenzialeinschätzung eines Nachwuchssportlers?
Dieser Blogbeitrag wurde durch Fit for Life zur Verfügung gestellt. Fit for Life ist das Schweizer Magazin für Fitness, Lauf- und Ausdauersport. Möchtest du regelmässig solche Artikel lesen? Dann klicke hier.