Aus aktuellem Anlass findet ihr in der Blog-Serie „Laufend durch die Schwangerschaft und danach” einen Bericht über ein verpasstes Olympiamärchen.
Vereinbarung von Job, Karriere und Mamisein ist ein Thema, welches bewegt und in unserer Gesellschaft immer wieder für Gesprächsstoff sorgt. Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn Mami eine Sportkarriere verfolgt und nur alle vier Jahre die Olympischen Spiele durchgeführt werden? Lässt sich professioneller Sport mit einer Schwangerschaft, der Geburt und mit Kindern vereinbaren? Offensichtlich, denn unter Profisportlerinnen gibt es einige Mamis, auch an den Olympischen Sommerspielen in Rio.
Donnerstag, 7. Juli 2016: Eine Amerikanerin, kurz vor Dreissig, versucht bei den US-Trials in Eugene, Oregon, einen Olympiaplatz für den 1500m Lauf zu erlaufen. Sie fällt in ihrem Block deutlich ab und verpasst die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele in Rio 2016 somit deutlich. Es ist Sarah Brown und hätte wohl nie so viel mediale Aufmerksamkeit erhalten, wäre sie nicht vier Monate zuvor Mutter der kleinen Abigail geworden.
Für Sarah war seit der Beginn der Schwangerschaft klar, dass sie ihre Karriere fortsetzt. Immer mit dem Ziel vor Augen, sich für die Olympischen Spiele in Rio zu qualifizieren. Entsprechend hat sie durch die Schwangerschaft hindurch trainiert und auch zwei Wochen nach der Geburt ihre Trainingsroutine wieder aufgenommen. Sie musste dafür viel öffentliche Kritik einstecken und wurde auch beschimpft.
Pure Unvernunft?
Sarah galt als Lauftalent und hatte grosse persönliche Hoffnungen in die Olympischen Sommerspiele in London 2012. Kurz davor verletzt sie sich jedoch und muss auf die Spiele verzichten. Mit dem Wissen, dass sie wieder vier Jahre Zeit hat, und ihren Blick bereits auf Rio 2016 gerichtet, hat sie ihr langfristiges Training nach der Verletzungspause wieder aufgenommen. Und die Erfolge stellten sich ein, besonders auch im Frühjahr 2015. Im folgenden Sommer jedoch erlebte sie einen plötzlichen Leistungseinbruch, welchen sie sich zuerst nicht erklären konnte. Bald kam der Verdacht auf, Sarah könnte wohlmöglich schwanger sein, doch der daraus resultierende Schwangerschaftstest fiel negativ aus. So trainierte sie weiter und setzte auf andere Trainingsmethoden, weil sie dort den Ursprung ihrer Probleme vermutete. Beim Diamond League Rennen in Monaco fiel sie aber so deutlich von ihren Konkurrentinnen ab, dass ein Arztbesuch unausweichlich wurde. Das Ergebnis des Bluttests: Sarah war trotz Verhütung mit der Kupferspirale ungeplant schwanger.
Olympische Sommerspiele 2016 in Rio trotz Baby?
Die Schwangerschaft hat ihre Olympiapläne zuerst völlig durcheinander gebracht. Sie und ihr Mann Darren, welcher gleichzeitig auch ihr Coach ist, entschieden sich aber schnell, ihr Trainingsprogramm weiterzuführen und den Traum einer Teilnahme an Olympischen Sommerspielen weiterzuträumen. Einerseits glaubte sie, dass ihr Körper, welcher unter den intensiven Trainingsumständen schwanger wurde, das Training auch schwanger weiter vertragen werde. Hinzu kam die Sorge, was eine Nicht-Teilnahme für ihre weitere sportliche Karriere bedeuten würde – die Verträge mit ihren beiden Sponsoren laufen Ende 2016 aus. Eine Teilnahme würde die Chance auf eine Fortführung ihrer Karriere erhöhen.
Sarah passt das Training ihrer Schwangerschaft an
Sarah senkte den Laufumfang sowie die Intensität während der Schwangerschaft und trainierte dafür mehr auf dem Crosstrainer. Auch Schwimmen und Krafttraining wurden Bestandteil ihres Sportprogramms. Von der 20. bis zur 24. Schwangerschaftswoche stellte sie ihr Training aufgrund von Schmerzen im Rücken ein, im dritten Trimester konnte sie jedoch wieder vier Mal pro Woche laufen. Rückblickend hat Sarah das Gefühl, dass sie das Lauftraining während der Schwangerschaft als Athletin stärker macht, weil es ab und zu ganz schön unbequem sein kann, schwanger zu laufen.
Sarah’s Lauftraining nach der Geburt
Nach der Geburt ihrer Tochter, Abigail, hat Sarah eine Woche pausiert und ist dann mit dem Training auf dem Crosstrainer wieder eingestiegen, um eine weitere Woche später wieder das Lauftraining aufzunehmen. Dazu gehörten bald auch wieder sehr intensive Einheiten, auf welche sie in der Schwangerschaft verzichten musste. Sechs Wochen nach der Geburt tauchten jedoch Rückenprobleme auf und es stellte sich heraus, dass sie während der Schwangerschaft eine genetisch bedingte Osteoporose entwickelt hat, welche zu Ermüdungsbrüchen im Brustwirbelsäulenbereich sowie beim Kreuzbein geführt hat. Einige Wochen musste Sarah mit Alternativtraining (Crosstraining, Schwimmen und Aquajogging) vorlieb nehmen und hat erst kurz bevor den US amerikanischen Trials ihr Lauftraining wieder aufgenommen. Trotz diesen medizinischen Komplikationen entschied sich Sarah für einen Start.
In einem Interview machte ihr Arzt die interessante Feststellung, dass eine Athletin auf dem Niveau von Sarah eine andere Voraussetzung hat für sportliche Aktivitäten während der Schwangerschaft. Zudem hatte sie jede dritte Woche eine Ultraschalluntersuchung, um sicherzustellen, dass das Baby in ihrem Bauch gut an Gewicht zunimmt. Interessant ist seine Aussage zum Puls.
Was kann Frau nach der Schwangerschaft ihrem Körper zumuten? Ist es naiv, zu glauben, innerhalb von vier Monaten nach einer Geburt olympiafit zu sein?
Die amerikanische Filmemacherin Daniele Anastasion (ESPN) hat Sarah für den Sender ESPN auf ihrem sportlichen Weg durch die Schwangerschaft und bei ihrem Training nach der Geburt begleitet und fünf Kurzfilme dazu gedreht (die letzte Folge steht noch aus). Meine Gefühle beim Schauen der Filme waren sehr zwiespältig. Einerseits weil ich glaube, dass Sarah als Profisportlerin wirklich auf ihren Körper gehört hat und keine unnötigen Risiken, vor allem gegenüber dem Baby, eingegangen ist. Andererseits ist da der schnelle Wiedereinstieg und die intensiven Trainingseinheiten nach der Schwangerschaft, welche für ihren Körper wohl eine zu grosse Zumutung war. Dieselbe Verantwortung und Geduld, welche sie ihrem schwangerem Körper entgegenbrachte, hätte sie auch für ihren postnatalen Körper aufbringen sollen. Denn ihr Körper ist schliesslich ihr Kapital. Aber eben, die Olympischen Spiele sind nur alle vier Jahre, sie wird nicht jünger und der Laufsport ist eben ihr Beruf, ihre KARRIERE.
Wie wohl viele andere Eltern, lebt sie ihrer Tochter vor, dass es wichtig ist, sich Ziele zu setzen und diese zu verfolgen. Eines Tages wird Abigail wohl Stolz sein auf ihre Mutter, auch wenn Olympia in Rio für diese nur ein Traum blieb.
Die Dokumentarfilme bei ESPN waren leider nur kurz online. Auf Youtube habe ich lediglich die erste Episode gefunden. Sarah und ihr Mann haben auch einen Blog, wo sie über ihre Sportkarriere berichten.
Immer wieder infiziert mich der Virus der Olympischen Spiele – auch dieses Jahr habe ich mich bereits angesteckt und verfolge die Spiele interessiert. Gewisse Athletinnen beeindrucken mich bereits vor ihrem Einsatz besonders: Nicola Spirig, Jo Pavey und Jessica Ennis-Hill beispielsweise. Eines haben sie alle gemeinsam: Alle sind sie Mamis. #Olympiamum-Updates gibt es auf meiner Facebookseite.
Stefanie Meyer ist begeisterte Läuferin und Ironwoman. Ihre Leidenschaft für den Sport lebt sie auch in ihrem Beruf als Sportwissenschaftlerin, Sportlehrerin und Laufcoach aus. Im Sommer 2014 verliess sie die Schweiz und lebt seither in London, wo sie – selber Mami – auf www.sportymum.net über Sport während und nach der Schwangerschaft bloggt. Seit der Geburt ihrer Tochter läuft sie wieder regelmässig an Wettkämpfen.