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Höhentraining für Läuferinnen und Läufer

Die Blutbildung wird angeregt, aber die muskuläre Leistung nimmt ab – wer in der Höhe trainiert, begibt sich im wahrsten Sinn auf eine Gratwanderung. Die wichtigsten Tipps.

Autor: PD Dr. med. Christoph Dehnert, Facharzt für allgemeine Innere Medizin und Kardiologie FMH, Sportmedizin DGSP, Medbase Sports Medical Center Zürich

 

 

 

Welches Ziel will ich erreichen? Diese Frage steht am Anfang des Höhentrainings. Denn Höhentraining ist nicht gleich Höhentraining: Geht es darum, sich auf einen Wettkampf im Gebirge vorzubereiten, beispielsweise auf einen Alpinmarathon? Oder soll das Hohentraining Trainingsreize setzen, um so die Leistungsfähigkeit im Flachland zu steigern? Je nach Ziel sind andere Aspekte wichtig.
Wer an einem alpinen Wettlauf die optimale Leistung erbringen möchte,  muss möglichst gut an die entsprechende Höhe akklimatisiert sein. Dazu sollte man zuvor in der Höhe trainiert haben, nach dem Motto «Train high – live high», also «Trainiere in der Höhe und lebe in der Höhe». Diese Art des Höhentrainings ist – im wahrsten Sinn – eine Gratwanderung: Die Gefahr des Übertrainings ist dabei deutlich grösser als im Flachland. Um nicht in die Erschöpfung zu geraten, muss man die übliche Trainingsintensität reduzieren und langsamer trainieren als sonst. Der Haken daran: Die muskuläre Leistung passt sich dem rasch an – und nimmt folglich in der Höhe ab. Ein Ausweg aus diesem Dilemma kann zum Beispiel sein, die Akklimatisation auf mehrere kurze Episoden von jeweils drei oder vier Tagen zu verteilen. Also regelmässig ein paar Tage das Training in der Höhe absolvieren, dazwischen aber immer wieder im Flachland trainieren.
Weil in der Höhe die Luft «dünner» ist nehmen die roten Blutkörperchen dort weniger Sauerstoff auf als sonst. Um die Sauerstoffversorgung der Organe zu verbessern, scheidet der Körper zunächst Blutplasma aus und «verdickt» das Blut. Zudem pumpt das Herz schneller und erhöht so das pro Minute gepumpte Blutvolumen. Eine Faustregel, um wieviel schneller der Puls im Gebirge schlägt, gibt es jedoch nicht. Deshalb können die Trainingsbereiche aus einer im Flachland durchgeführten Leistungsdiagnostik nicht einfach in die Höhe übertragen werden. Auch die subjektive Einschätzung der Trainingsintensität liegt häufig weit daneben, insbesondere wenn die Erfahrung mit Training in der Höhe fehlt. Am besten in die Höhe übertragbar ist die Einschätzung anhand der Atmung. Wie im Flachland gilt auch hier für das Grundlagenausdauertraining, dass man sich beim Laufen noch in kurzen Sätzen unterhalten können sollte. Wer es genau wissen will, kommt um eine Leistungsdiagnostik in der Höhe nicht herum. Dies ist aber meist schwer zu realisieren.
Während Studien eindeutig belegen, dass Höhentraining vor einem Wettkampf in der Höhe die Leitungsfähigkeit dort verbessert, ist die Datenlage nicht eindeutig, was das Höhentraining zum Zweck der Leistungssteigerung im Flachland betrifft. Die Mechanismen des Höhentrainings, das die Leistung im Flachland verbessern soll, sind noch nicht vollständig geklärt. Als gesichert gilt, dass die durch den Sauerstoffmangel in der Höhe angeregte Blutbildung leistungssteigernd wirkt. Dieser Prozess setzt aber erst nach zwei bis drei Wochen kontinuierlichem Aufenthalt über 2000 bis 2500 Meter ein. In dieser Zeit nimmt jedoch die muskuläre Leistungsfähigkeit wegen der geringeren Trainingsintensitäten in der Höhe ab.

Im Leistungssport haben sich daher in den letzten Jahren zwei Formen des Höhentrainings durchgesetzt: Erstens das Konzept «sleep high – train low», also in der Höhe schlafen, um die positiven Effekte des Sauerstoffmangels auf die Blutbildung zu nutzen, das Training aber wie gewohnt im Flachland zu absolvieren, um die Trainingsintensitäten nicht reduzieren zu müssen. Und zweitens das hochintensive Training in die Höhe zu verlagern, um einen zusätzlichen Reiz auszuüben. Dennoch führen diese zwei logischen Konzepte nicht bei jedem zu einer Leistungssteigerung. Hier gibt es grosse individuelle Unterschiede.
Wenn überhaupt, ist Höhentraining zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Flachland also allenfalls sinnvoll für Hochleistungssportler, die ihr Training im Flachland maximal ausgereizt haben. Aber selbst bei ihnen ist es umstritten, ob es wirklich den erhofften Nutzen bringt. Amateursportler haben in punkto Training selten alles optimiert. Für ein bestmögliches Ergebnis am Saisonhöhepunkt (vorausgesetzt der Wettkampf findet im Flachland statt) profitieren sie wahrscheinlich von einer Trainingsoptimierung deutlich mehr als vom Höhentraining.
Wer sich trotzdem für ein Höhentrainingslager entscheidet, sollte berücksichtigen, dass erfahrungsgemäss das Leistungsmaximum erst etwa zwei Wochen danach zu erwarten ist. Aber auch hier muss jeder seine eigenen Erfahrungen machen.
Tipps

  • Der Aufenthalt in der Höhe wirkt wie ein Stressfaktor für den Körper. Bis er sich beispielsweise an eine Höhe von 2000 bis 2500 Meter akklimatisiert hat, vergehen rund zehn bis vierzehn Tage.
  • Wer sich seriös auf einen alpinen Wettkampf vorbereiten will, führt am besten ein Trainingstagebuch und trainiert regelmässig in der Höhe.
  • Das Nonplusultra bei der systematischen Vorbereitung auf einen Höhen-Wettkampf sind ein erfahrener Trainer und/oder eine Leistungsdiagnostik in der Höhe. Allerdings ist diese teuer und es gibt nur sehr wenige Anbieter.
  • Reicht die Zeit vor einem Alpinlauf nicht für ein gutes Höhentraining, sollte man vorher zumindest ein paar Mal in der Höhe trainieren um Erfahrungen zu sammeln.
  • Wer auch dafür keine Möglichkeit hat, der reist am besten unmittelbar vor dem Wettkampf an. Die Leistungsfähigkeit in der Höhe ist in den ersten Stunden (maximal am ersten Tag) nach der Ankunft noch am besten. Danach fällt sie ab.
  • Ein Training in simulierter Höhe ist nur dann sinnvoll, wenn dort auch spezifisch trainiert werden kann.

5 Antworten auf „Höhentraining für Läuferinnen und Läufer“

Eine Rückfrage zum zweitletzten Tipp. Wenn man das zu Ende denkt, heisst das für mich, dass die Anreise bei Wettkämpfen in der Höhe IMMER erst am Wettkampftag erfolgen sollte (unabhängig von der Vorbereitung), ausser man ist bereits ideal höhenakklimatisiert (was bei Sportlern, die im Flachland leben, nur selten der Fall sein dürfte). Stimmt das so? Klar, es gibt noch Aspekte wie Reisestress, verkürzter Schlaf etc, aber ignorieren wir das hinsichtlich meiner Frage.

Lieber Gabriel. Unser Experte, PD Dr. med. Christoph Dehnert beantwortet dir hier deine Frage:
„Lieber Leser,
Grundsätzlich stimmt das so. Natürlich interferiert das mit den von Ihnen genannten Punkten und ist auch nicht für alle Wettkämpfe möglich. Ganz ignorieren kann man diese Punkte bei der Beantwortung der Frage aber nicht, da sie für eine optimale Wettkampfleistung natürlich auch entscheidend sind. Um im Einzelfall beurteilen zu können, was das optimale Wettkampfergebnis liefert, braucht es grosse Erfahrung. Auch weil jeder Individuell unterschiedlich auf die einzelnen Faktoren (Höhe, Schlafmangel, Reisestress) reagiert. Das «immer» bei der Anreise am Wettkampftag sollte man daher durch ein «möglichst» ersetzen, eben unter der Voraussetzung, dass andere Faktoren sich nicht noch negativer hinsichtlich der Leistungsfähigkeit auswirken.
Im Hochleistungssport wird das teilweise praktiziert, beispielsweise wenn im Fussballspiele in der Höhe (z.B. in Südamerika) stattfinden, reisen manche Mannschaften genau aus diesem Grund oft erst am Spieltag an.
Noch eine Bemerkung zu den Sportlern aus dem Flachland. Sportler (auch Hobbysportler), die im Flachland leben, sind gar nicht so selten gut akklimatisiert. Wenn man bereits mehrere Wettkämpfe in der Höhe absolviert hat und/oder zumindest hin und wieder in der Höhe trainiert, baut man eine Akklimatisation auf. Ich denke da beispielsweise an Skilangläufer, die oft zu Beginn des Saison schneebedingt in höheren Lagen trainieren und dann immer wieder Wettkämpfe in der Höhe haben (viele Wettkampforte liegen auf 1400-1800 m Meereshöhe), die sind dadurch den ganzen Winter über recht gut an solche Höhen akklimatisiert.
Ich hoffe das beantwortet Ihre Frage.“

Als Senioren 800 – 5000m Läufer überlege ich gerade ob es sinnvoll ist im Juni 2020 auf 200o m Höhe in Kühtai auf der bahn zu trainieren. Für die WM im Juli in Toronto (Flachland u.U. heiß und feucht).
Ich vertrage Hitze sehr gut, Kälte eher weniger.

Stefan.

Stefan, ein Training in der Höhe kann deinen Körper auf alle Fälle sehr positive Effekte auf die Leistungsentwicklung geben! Wenn die wichtigen Wettkäpfe jedoch an Orten sind wo es heiss und feucht ist, dann ist es von grossem Vorteil, wenn du auch unter diesem Umständen eine zeitlang trainierst um dich und deinen Körper auf die äusseren Gegebenheiten vorzubereiten! Training in der Hitze hat übrigens ähnliche Effekte wie das Training in der Höhe.
-gabriel

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