Wenn es um Proteine geht, kursieren noch immer viele Irrtümer. Acht Mythen – und was wirklich stimmt.
Autor:
Colin Glattfelder, MSc Sportwissenschaften, Präventionsberater, Sportmasseur, Personal Trainer, Medbase Checkup Center Zürich
Proteine sind entscheidend, damit du dein volles Leistungspotenzial ausschöpfen kannst. Nach harten Trainingsbelastungen und in Wettkampfphasen ist dein Bedarf höher.
Mythos 1: Vor allem Kraftsportler haben einen hohen Proteinbedarf
Falsch. Tatsächlich sind es die Ausdauerathletinnen und -athleten während sehr intensiven und harten Trainingsphasen, die das meiste Eiweiss benötigen, weil beim Muskelaufbau – insbesondere in der frühen Phase eines intensiven Trainingszyklus – mehr Proteine nötig sind. Der Körper gewöhnt sich allerdings mit der Zeit an die Trainingsbelastung. Deshalb ist der Proteinbedarf bei austrainierten Sportler*innen nicht wesentlich höher als bei einer aktiven erwachsenen Person. Der Proteinbedarf hängt vom Alter, von der Körpergrösse, dem Gewicht und von der Trainingsintensität ab. Als optimal für Athletinnen und Athleten gelten pro Tag im Allgemeinen 1,2 bis 1,6 Gramm Proteine pro Kilo Körpergewicht. Bei mehr als fünf Stunden wöchentlichem Training kann dein Proteinbedarf auf bis zu zwei Gramm pro Kilo Körpergewicht steigen.
Mythos 2: Proteine sind wichtig für die Energiezufuhr
Nein. Proteine bestehen aus Bausteinen, den Aminosäuren. Einige dieser Aminosäuren dienen während des Sports zwar als Energielieferanten. Aber in Tat und Wahrheit liefern Proteine nur etwa drei bis sechs Prozent der Energie für die Muskeln. Der Löwenanteil stammt hingegen aus der Energie von Kohlenhydraten und Fetten. Insgesamt werden die Proteine als Energielieferanten oft überschätzt. Nach dem Training oder Wettkampf hat sich eine Kombination aus Proteinen und Kohlenhydraten bewährt. Die Proteine helfen beim Muskelaufbau, die Kohlenhydrate helfen, die Glykogenspeicher in den Muskeln wieder aufzufüllen.
Mythos 3: Es ist egal, wann man die Proteine zu sich nimmt
Proteine sind sehr wichtig für die Regeneration, sie unterstützen die Erholungs- und Reparaturprozesse nach dem Sport. Das wird oft unterschätzt. Ideal für den Muskelaufbau ist darum, in einem Zeitfenster von drei bis vier Stunden nach dem Training eine Proteinportion zu verzehren (0,3 Gramm Eiweiss pro Kilo Körpergewicht für jüngere Erwachsene, 0,4 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht für über 40-Jährige). Ob du diese Proteinportion als Drink, im Rahmen einer Mahlzeit oder als Snack zu dir nimmst, spielt keine Rolle. Am besten verteilst du die Proteinzufuhr über den Tag auf mehrere Portionen.
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Mythos 4: Proteine sind für die Muskeln wichtig
Ja, aber … im ganzen Körper laufen permanent Ab- und Aufbauprozesse statt. Täglich werden dort Muskelproteine ab- aber auch wieder aufgebaut. Aber auch für neue Zellen, Membranen, Bindegewebe und für die Knochen benötigt dein Körper Proteine. Daneben sind sie als Botenstoffe wichtig, sie steuern Stoffwechselabläufe und übernehmen Transportaufgaben als sogenannte Enzyme. Hormone wie Insulin oder Verdauungsenzyme zum Beispiel sind aus Aminosäuren aufgebaut.
Um einen Abbau von Körperprotein zu vermeiden, liegt das Minimum an Proteinzufuhr für Nicht-Sportlerinnen und -Sportler bei täglich rund 0,8 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht. Wenn du trainierst und gleichzeitig Gewicht abnehmen willst, solltest du deine Proteinzufuhr deutlich steigern, auf 1,8 bis 2,7 Gramm Eiweiss pro Kilo Körpergewicht. So bremst du den diät-bedingten Muskelabbau.
Mythos 5: Molke ist besonders wertvoll
Für den Muskelaufbau braucht dein Körper alle essenziellen Aminosäuren. Das sind die Bausteine von Proteinen, die der menschliche Körper nicht selbst herstellen kann. Je intensiver du trainierst, umso grösser sind die «Mikro-Verletzungen» in den Muskeln. Sie brauchen Pflege – und da sind die Aminosäuren entscheidend. Insbesondere von der essenziellen Aminosäure Leucin werden beim Muskelaufbau mehrere Gramm benötigt. Molkenprotein ist besonders reich an Leucin, und Molkenprotein wird bei vielen Menschen im Darm besonders gut aufgenommen, verglichen mit anderen Proteinen. Trotzdem solltest du auf deinen Körper hören: Es macht keinen Sinn, Milchprodukte als Proteinquellen zu nutzen, wenn dein Körper sie nicht verträgt.
Mythos 6: Athletinnen und Athleten benötigen proteinreiche Nahrungsergänzungsmittel
Das Geld dafür kannst du dir in dem meisten Fällen sparen. Denn mit einer ausgewogenen und gesunden Ernährung deckst du deinen Proteinbedarf normalerweise. Voraussetzung ist, dass dein Energieumsatz und deine Energiezufuhr stimmen. Heutzutage fokussieren viele jüngere Athleten auf ihre Proteinzufuhr. Das kann zur ungesunden, einseitigen Ernährung führen und die Leistung schmälern anstatt steigen. In gewissen Fällen und bei speziellen Diätformen/Ernährungsweisen kann eine Supplementierung jedoch Sinn machen, zum Beispiel, wenn du dich vegan ernährst und intensiv trainierst.
Mythos 7: Zuviel Eiweiss schadet den Nieren und den Knochen
Nein. Gesunde Erwachsene vertragen Proteinmengen von bis zu drei Gramm pro Kilo Körpergewicht und Tag problemlos. Eine hohe Eiweisszufuhr schadet auch den Knochen nicht. Proteinexzesse solltest du aber vermeiden. Denn eine stark proteinbasierte Ernährung bewirkt eine schnellere Sättigung und kann dazu führen, dass Athleten oder Athletinnen zu wenig essen und ihren Energiebedarf nicht decken. Zudem sind besonders die proteinreichen Nahrungsmittel eher fettig und enthalten im Vergleich zu proteinärmeren weniger Mineralstoffe und Vitamine. Diese Mikronährstoffe brauchst du aber ebenfalls, damit du deine volle Leistung abrufen kannst.
Mythos 8: Sportlerinnen und Sportler brauchen tierische Proteine
Nein, tierische Proteine sind zwar meist besser verwertbar und hochwertiger, aber es müssen nicht zwingend Fisch, Fleisch, Eier oder Milch sein. Auch viele pflanzliche Nahrungsmittel wie Brot, Hülsenfrüchte, Linsen, Soja oder Nüsse liefern hochwertige Proteine und können einen bedeutenden Anteil an der Proteinversorgung haben. Sowieso gilt: Wechsle die Proteinquellen am besten ab! So kommst du zu einer grösseren Vielfalt an essenziellen Aminosäuren. Wenn du deinen Proteinbedarf ausschliesslich mit pflanzlichen Eiweissquellen deckst, benötigst du von pflanzlichen Proteinen mehr als von tierischen, um den Bedarf zu decken.
Wer ist Medbase?
Medbase ist das grösste multidisziplinäre sportmedizinische Netzwerk der Schweiz und bietet spezialisierte sportmedizinische Dienstleistungen für Athletinnen und Athleten, Vereine und Sportverbände aller Aktivitätsstufen in den Bereichen Sportmedizin, Sportphysiotherapie, Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung.